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Kultur: Wild nach Unsterblichkeit

Komponist Dieter Krickeberg über die Uraufführung der Kammeroper „Ischtar und Gilga“ im T-Werk

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Herr Krickeberg, warum haben Sie für Ihre Kammeroper „Ischtar und Gilga“, die am Samstag uraufgeführt wird, ausgerechnet auf eine der ältesten, literarisch überlieferten Dichtungen der Menschheit, dem Gilgamesch-Epos, das nach 2000 v. Chr. verfasst wurde, zurückgegriffen?

Ausgangspunkt war ein sehr aktueller. Immer wieder habe ich in Zeitungen Anzeigen oder Beiträge gelesen, die uns versprechen, dass wir demnächst unsterblich werden können. Und Gilgamesch, Held in dem gleichnamigen Epos, war wild nach dieser Unsterblichkeit. Diese Verbindung erschien mir einfach zwingend.

Welche Rolle spielt die Liebesgöttin Ischtar in Ihrer Oper? Im Gilgamesch–Epos verliebt sie sich in Gilgamesch, wird von ihm aber zurückgewiesen.

Die Göttin Ischtar tritt in der Oper auf, um Gilgamesch von seiner Gier nach Unsterblichkeit zu befreien und ihm die uralte Idee zu vermitteln, dass allein schon ein einziger Augenblick Ewigkeit bedeuten kann.

Mit dem Cagliostro lassen Sie eine dritte Figur in „Ischtar und Gilga“ auftreten. Nur leider hat dieser Cagliostro nichts mit dem Gilgamesch-Epos zu tun. Er war ein Wunderheiler und Hochstapler im 18. Jahrhundert, der auch ewige Jugend versprach.

Den zweiten Akt der Oper habe ich in die Gegenwart transportiert und Cagliostro tritt hier als Arzt auf, der Unsterblichkeit verspricht. Die Fragwürdigkeit heutiger Verheißungen von Unsterblichkeit liegt in der Gefahr von Übervölkerung, von Hungersnöten und anderem mehr.

„Ischtar und Gilga“ ist mit einer Spielzeit von einer Stunde nicht gerade lang.

Ja, sie besteht aus einem ersten Akt, einem Intermezzo und einem zweiten Akt. Mir war wichtig, die gesamte Inszenierung nicht zu aufwendig werden zu lassen, so dass sie auch von einem kleinen Ensemble wie Celeste Sirene, das ohne öffentliche Förderung auskommt, aufgeführt werden kann.

Welche Kompromisse mussten Sie dafür eingehen?

Die Handlung wird weitgehend durch einen Erzähler repräsentiert und verzichtet auf eine aufwendige Bühneneinrichtung. Das Personal bleibt überschaubar und besteht aus zwei Sängern, einem Schauspieler und sechs Musikern.

Warum haben Sie diese Oper mit historischen Instrumenten aus der Alten Musik, also Gamben, Laute, Barocktrompete und -flöte, besetzt?

Einerseits entspricht das einer persönlichen Vorliebe, denn ich habe den größten Teil meines Lebens an Musikinstrumentenmuseen und mit der Forschung an historischen Instrumenten verbracht. Der Hauptgrund aber liegt in der klaren und schlanken Tongebung, den vor allem die Gamben liefern und so die Mikrotöne, die ich als Erweiterung des harmonischen Spektrums sehr wichtig finde, fantastisch gut hören lassen.

Mikrotonalität, also Intervalle, die unterhalb eines Halbtons oder zwischen Halbtönen liegen, ist ein Kennzeichen Ihrer Kompositionen. Bei „Ischtar und Gilga“ benutzen Sie die neuartige Fünfteltontechnik.

Die hat sich aus der historischen Stimmung entwickelt, denn Mikrotonalität ist in der Alten Musik natürlich, da gab es auf Tasteninstrumenten sogenannte gebrochene Tasten mit einem Fünftelton Unterschied. In meinen Kompositionen ist dies auch ein Anspielung auf unsere Zeit, wo unreflektierter Fortschritt es nahe legt, sich auf historische Werte zu besinnen. In der Oper soll auch die Konfrontation von Alt und Neu deutlich werden.

Diese Mikrotonalität, die auch sehr beliebt in der neuen Musik ist, wird manchen Zuhörer vor eine Herausforderung stellen, da sie mit üblichen Hörgewohnheiten bricht.

Ja, aber ich beschränke mich nicht allein auf Dissonanzen, sondern habe auch Konsonanzen eingefügt. Dadurch entsteht Spannung und Entspannung und führt, so hoffe ich, zu einer Neugier und Nachdenklichkeit beim Zuhörer.

Das Interview führte Dirk Becker

Die Kammeroper „Ischtar und Gilga“ wird am Samstag, 15. November, um 20 Uhr, im T-Werk, Schiffbauergasse, uraufgeführt. Der Eintritt kostet 12, 8 und 6 Euro.

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