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Kultur: Willkommen auf dem Jahrmarkt In Extremo im Nikolaisaal

Hell leuchtende Straßenlaternen stehen verteilt auf der Bühne im Nikolaisaal. Im Hintergrund ragen riesige Stoffzelte fast bis an das weiße Firmament des Saals.

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Hell leuchtende Straßenlaternen stehen verteilt auf der Bühne im Nikolaisaal. Im Hintergrund ragen riesige Stoffzelte fast bis an das weiße Firmament des Saals. Kartons stehen verteilt zwischen Sackpfeife, Harfe und Drehleier, um nur einige der Instrumente zu nennen, die an diesem Dienstagabend zu hören sind. In der Mitte der Bühne sitzt In Extremo-Frontmann Michael Rhein auf einem roten Sofa und umfasst das Mikrofon. Der Dudelsack von Yellow Pfeiffer ertönt in einem angenehmen Crescendo. Mit „Spielmann“ eröffnen In Extremo ihr mittelalterliches Rockspektakel und begrüßen das Publikum in ihrem jahrmarkthaft eingerichteten Wohnzimmer.

Tranquilo Akustik heißt die Tour, mit der die Band derzeit unterwegs ist. Eigentlich sind ihre Spielplätze die Freiluftbühnen, Marktplätze und Mittelaltermärkte. Doch mit ihrer eigenwilligen Mischung aus mittelalterlichen Kompositionen und Rock hat die siebenköpfige Band seit ihrer Gründung im Jahr 1996 mittlerweile die ganze Welt bereist. Auf den großen Festivals in Deutschland, wie Rock am Ring und dem Wacken Open Air, sind sie Stammgäste. Doch bei aller Liebe für das große Spektakel schätzen In Extremo immer noch das Persönliche eines Akustikkonzerts.

„Prost auf Potsdam“, ruft Michael Rhein im Nikolaisaal und hebt seine Tasse, die er anschließend auf einem kleinen Beistelltisch neben dem roten Sofa platziert und macht es sich bequem. Sein Mitspieler Dr. Pymonte zupft gefühlvoll auf seiner Harfe. „Ave Maria“ heißt der Song. Sänger Michael Rhein, dessen Künstlername „Das letzte Einhorn“ ist, nimmt sich bei diesem ruhigen Song gesanglich zurück, um den Instrumenten mehr Spielraum zugeben. Das Publikum genießt diesen Moment. Denn der Nikolaisaal wirkt dabei wie ein riesiger Resonanzkörper, der Harfe, Drehleiher und Bass zu mehr Stärke verhilft.

Auch bei „Esta Noche“ hält sich Rhein zurück. Dafür gibt er bei Liedern wie „Frei Zu Sein“, „Zauberspruch“ oder „Vollmond“ doppelt so viel Gas. Seine rauchig, kratzende Stimme begleitet die Instrumente und stellt sich nicht über sie. Dann folgen Lichtspiele, bei denen der eine Musiker im Dunkeln sitzt, ein anderer im Licht. Es ist die Einstimmung auf „In diesem Licht“. Und während Michael Rhein singt, variieren die blauen und roten Scheinwerfer die Farbintensität je nach Lautstärke der Instrumente. Mal dominiert Otto am Schlagzeug, dann St. Sebastian an der Gitarre oder Flex der Biegsame auf der Flöte und Yellow Pfeiffer auf der Schalmei. Vor allem die Blasinstrumente geben den Ton an und sind ausschlaggebend für den mittelalterlichen Einfluss in der Musik.

Es ist die großzügige Variation an Musikinstrumenten, die diesem Abend seine besondere Klangvielfalt gibt. So spielt Dr. Pymonte nicht nur die Harfe, sondern auch verschiedene Flöten. Yellow Pfeifer dudelt und streicht die Nickelharpe, wenn er nicht gerade auf der Flöte spielt und Michael Rhein schafft es, neben dem Gesang zu trommeln und die Percussion zu bedienen. Gitarre, Bass und Schlagzeug vollenden das Gesamtbild mittelalterlicher Rock. Und so schaffen In Extremo in ihrem Wohnzimmer eine ganz eigene Welt, eine Illusion, die noch in den Ohren nachklingt, selbst wenn die Kulissen längst abgebaut sind.

Margret Hahn

Margret Hahn

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