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Sie sind die Köpfe hinter der diesjährigen Potsdamer Winteroper: Dirigent Attilio Cremonesi, der die musikalische Leitung innehat, und Regisseurin Adriana Altaras.

© Ottmar Winter

Winteroper in Potsdam: Die Kunst der Leichtigkeit

Nach den schweren Stoffen der vergangenen Jahre wartet die Potsdamer Winteroper jetzt mit einem Lustspiel auf. Das Publikum erwartet eine Opera buffa, die europaweit Furore machte.

Von Babette Kaiserkern

Beflügelte Putten turteln am Bühnenhimmel, von der Decke hängen Neonröhren, auf dem Fliesenboden stehen Caféhausstühle und sogar eine hochmoderne Espressomaschine. Die Kulisse der diesjährigen Potsdamer Winteroper, für die seit einigen Tagen im Schlosstheater am Neuen Palais geprobt wird, ist eine heitere Mischung aus Alt und Modern oder auch aus Traum und (Theater-)Realität. Sie zeigt den Weg an.

Nach all den schweren, biblischen und mythologischen Stoffen der vergangenen Jahre, die wohl auch dem Spielort in der Friedenskirche geschuldet waren, steht diesmal ein Lustspiel auf dem Programm. Mit Domenico Cimarosas „Il matrimonio segreto“ bringt die Kammerakademie Potsdam in Zusammenarbeit mit dem Hans Otto Theater eine veritable Opera buffa auf die Bühne, die einst europaweit Furore machte.

Trotz oder gerade wegen gewisser stilistischer Unterschiede wurde Cimarosa oft mit seinem Zeitgenossen Mozart verglichen. Doch anders als jener genoss Cimarosa in Wien die Gunst des kurzfristigen Herrschers Leopold II., der dieses Werk um eine heimliche Ehe und deren familiäre Auswirkungen sehr schätzte. Der Plot geht zurück bis auf die satirische Bildergeschichte „Mariage-à-la-mode“ des englischen Zeichners William Hogarth, doch Cimarosas Textdichter Giovanni Bertati schuf ein heiter-beschwingtes Verwirrspiel, das weder anklagt noch verklärt. Es gibt keine Helden und keine Verlierer, alle sechs Figuren tragen das Stück gleichermaßen.

Familie steht im Mittelpunkt

„Es ereignen sich keine weltbewegenden Dinge“, sagt Adriana Altaras im Gespräch mit den PNN. Dem Potsdamer Publikum ist Altaras mit einigen erfolgreichen Inszenierungen am Hans Otto Theater zwischen 2006 und 2008 bekanntgeworden. Inzwischen inszeniert die quicklebendige, umtriebige Schauspielerin und Regisseurin häufig Musiktheaterwerke im gesamten deutschsprachigen Raum.

Für mich ereignet sich in diesem Stück eine Familienaufstellung.

Adriana Altaras, Regisseurin

Darüber hinaus brilliert Altaras als Autorin kurios-komischer, latent-tragischer autobiografischer Romane, unter anderem über ihre deutsch-jüdische Familie und deren weitverzweigte Wurzeln. Im Frühjahr erscheint ein neues Buch, das der schönen Tante Jelka aus Mantua gewidmet ist, bei der Altaras als kleines Mädchen nach der Flucht aus Kroatien zunächst aufwuchs.

Um das Thema Familie geht es auch beim Regiekonzept für das „Matrimonio segreto. „Für mich ereignet sich in diesem Stück eine Familienaufstellung“, sagt Adriana Altaras. Für sie ist das „Biotop Familie immer aktuell und das allerspannendste“. Gerade die vielen Ensembleszenen seien Highlights, denn sie findet es großartig, „wenn vier, fünf oder sechs Sänger gleichzeitig singen und dabei die Variationen beherrschen, die Steigerung, die Verständlichkeit.“

Libretti mit Augenzwinkern

An diesem Vormittag gibt es auch eine Kostprobe von Cimarosas farbiger Musik. Unter der Leitung von Attilio Cremonese proben vier SängerInnen bis ins Detail einige Takte aus dem Quartett „Sento in peddo un freddo gelo“. Nach einer Auseinandersetzung lässt ein besonderer Kunstgriff die Musik stehen bleiben. Sie friert quasi ein, setzt ein Zeichen für die Handlung und wirkt, als wenn nun alle Personen sich Zeit nehmen, ihren Gefühlen nachzuspüren und nachzudenken, wie es weitergehen kann.

Nur wenig später wird es laut und vital und „alle machen ganz verrückte, absurde Sachen, weil sie in ihrem Innern so aufgeregt sind“, erzählt Adriana Altaras. „Natürlich ist das Libretto voller Konventionen“, aber er habe das Gefühl, sagt Attilio Cremonesi, „dass die Textdichter diese Libretti immer mit einem Augenzwinkern geschrieben haben. Es war poetisch gemeint, aber man wusste, dass man es auch anders interpretieren könnte.“

Ein Werk, das gut ins Schlosstheater passt

Cremonesi, der italienische Pianist, Organist und Dirigent, hat sich einen Namen gemacht mit Entdeckungen unbekannter Werke und ist seit 2021 künstlerischer Leiter des Händelorchesters in Halle. Mit der Kammerakademie Potsdam arbeitete Cremonesi bereits mehrfach zusammen, zuletzt bei einem besonderen Mozart-Abend im Jahr 2020. Dass die Verständigung mit Adriana Altaras problemlos auf Italienisch klappt, verleiht der Inszenierungsarbeit zweifellos eine Prise Leichtigkeit.

Eigentlich sei es bei Komödien in Deutschland immer so, dass man denke, es wäre zu leicht, sagt Adriana Altaras, aber ein Unterhaltungstheaterstück wie das „Matrimonio segreto“ könne man genauso gut in die Gegenwart holen wie zum Beispiel eine Oper von Richard Wagner – nur werde da nicht gefragt, ob Wagner noch aktuell sei.

Man müsse aber auch wissen, dass dieses Werk für Wien geschrieben wurde, wo die italienische Oper noch in hohem Ansehen stand. Wie kein zweiter Komponist dieser Zeit erfüllte Domenico Cimarosa die Wünsche des Publikums. Er hat ein leichtherziges, melodienseliges, humorvolles und unsentimentales Werk geschaffen, das nicht nur gut in das Schlosstheater Sanssouci hineinpasst, sondern sicherlich auch das Publikum von heute noch begeistern wird.

Premiere von Il Matrimonio Segreto (Die heimliche Ehe) am 11. November, 19 Uhr im Schlosstheater am Neuen Palais

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