Kultur: „Wir kommen alle, alle in den Himmel!“ Hofmannthals „Jedermann“ in Golm
So erstaunlich wie das ziemlich plötzliche Auftauchen des „Theater Ensembles Golm“ zu Beginn dieses Jahres, ist auch seine Erst-Inszenierung, deren letzte Vorstellung am Sonnabend von mindestens hundertfünfzig Besuchern umjubelt wurde.Ein paar Besessene wollten einfach nur „Theater vor Ort“ machen.
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So erstaunlich wie das ziemlich plötzliche Auftauchen des „Theater Ensembles Golm“ zu Beginn dieses Jahres, ist auch seine Erst-Inszenierung, deren letzte Vorstellung am Sonnabend von mindestens hundertfünfzig Besuchern umjubelt wurde.
Ein paar Besessene wollten einfach nur „Theater vor Ort“ machen. Da Feuer wird, wo Jemand den Funken schlägt, fanden die Initiatoren dieses Projektes bald reichlich „Anhang“: Fünf Profis und etwa fünfzehn Amateure machten sich vor und in der Golmer Kaiser-Friedrich-Kirche daran, Hugo von Hofmannsthals 1911 geschriebenes Stück „Jedermann“ in Szene zu setzen, jenes, das seit 1920 jährlich in Salzburg gespielt wird.
Mancher wird sich vielleicht noch seines eindrucksvollen Dramas „Der Turm“ zu einem Potsdamer Theatertreffen in den Neunzigern erinnern, ein tiefschürfender Text, eine intensive Inszenierung. So ähnlich darf man sich auch die knapp anderthalbstündige Inszenierung von Oliver Nitsche vorstellen. Die Stückwahl ist erfreulich, handelt es sich doch um ein „rein religiöses“ Werk nach Art mittelalterlicher Mysterienspiele, in dem ein Reicher im gut christlichen Kodex für seine Sünden zur Rechenschaft gezogen werden soll. Die moderne Theologie entschlägt sich ja schon lange aller Tugenden und Laster. Um so erfreulicher der lange Beifall, auch wenn es, trotz Hans-Sachs’scher Vers-Akrobatik, hier und da ein wenig holperte. Besserung ist immer möglich. Der Erfolg ermutigt die Golmer zum Weitermachen, bald, oder erst im kommenden Jahr.
Herr Jedermann (Wolfgang Mondon) hat über sein weltliches Treiben Gott vergessen, und dass jeder Rechenschaft ablegen muss über sein irdisches Tun. Weder bedürftige Nachbarn noch der Mutter (Kerstin Banditt) Mahnung weichen sein Herz. Eine Buhle (Susanne Nitsche) hält den Protagonisten fest im Griff, sie kam sogar mit dem Auto. Längst aber sandte Gott (Regisseur Oliver Nitsche persönlich) seinen bleichen Boten (Jens Koch) aus, den Jedermann zu holen. Bis hierhin spielte das Ensemble vor der Kirchentür, wo sinnigerweise die „nächsten Gottesdienste“ angezeigt waren und Schulbub Fridtjof Kotte den Prolog zum Stück sprach.
Vor der abgespannten Apsis innen sah man dann ein Festmahl, Spielplatz vieler Amateure, was noch ausbaufähig ist. Dann der Ruf des Todes, den nur der Gerufene hört, die tönenden Glocken zur Unzeit, es ist bereitet. Jedermann aber kann Aufschub erwirken, was dazu führt, dass der „Tod“, beim Rückzug zum Westausgang, einen anderen holt! Alle verlassen den Todgeweihten, auch sein getreuer, von Alexandra Delling gespielter Geselle. Bibeltreu folgen dem völlig unprätentiös spielenden Protagonisten nur seine schwächelnden „Werke“ (Uta Bonz mit große Partie) nach. Für ihre Schwester „Glaube“ (Alrun Wehl) gibt es noch Arbeit. Sie muss die in einen knallroten Teufel verwandelte Buhle abwehren. Klassisch seine Feuerpredigt auf der Hochkanzel! Hugo von Hofmannsthal endet mit Reue, Läuterung, Vergebung, kein Problem für das Publikum. Auch wenn Wolfgang Modon die Hauptlast trug, sah man eine beherzte Ensemblearbeit mit erfrischend gesungenen Volksliedern, mit guter Raumnutzung, überzeugenden Szenenlösungen (Schattenspiele) und einer bemerkenswerten Sprachpflege, alles im Ehrenamt – und da mag dieses Ensemble „keine Komödien“ machen? „Jedermann“ ist doch eine, auch wenn man’s nicht gleich bemerkt! Gerold Paul
Gerold PaulD
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