Kultur: „Wir machen weiter!“
Eva Riks vom Förderverein Pfingstberg stellte in der Villa Quandt die Broschüre „Was bleibt ...?“ vor
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Mit der Einweihung der Villa Quandt unterhalb des Pfingstberges vor einem Jahr etablierte sich im noblen „Villenquartier der Nauener Vorstadt“ fast still und leise ein neuer Kulturstandort in Potsdam. Vielleicht wird man bald von einem Pendant zur eher soziokulturell definierten Schiffbauergasse sprechen, denn vor der Kulisse des Belvedere ist die Denkart ja eher gutbürgerlich.
Brandenburgisches Literaturbüro, Lepsius-Haus, KGB-Gedenkstätte, mancher Verein und nicht zuletzt das Theodor-Fontane-Archiv üben längst den Schulterschluss: Als „institutionelles Netzwerk“ will man dieser städtischen Binnenlandschaft den Status eines „lebendigen Gedächtnisortes“ verleihen. Längst hat die Spurensuche begonnen. Das Fontane-Archiv beispielsweise widmete der Geschichte des Pfingstberges im vergangenen Jahr vier Vorträge, die unter dem Titel „Was bleibt ...?“ nun auch gedruckt vorliegen. Am Donnerstagabend wurde die illustrierte Broschüre in der Quandt-Villa aber nicht nur schnöde vorgestellt. Man verband die Präsentation mit einem engagierten wie lebendigen Vortrag. Eva Riks, Chefin des Fördervereins Pfingstberg in Potsdam, erzählte dem zahlreich erschienenen Publikum im Kaminzimmer, wie alles begann.
Zuerst war da nur ein Weinberg nebst Friedhof, was dieser Höhe den Namen „Judenberg“ eintrug. Friedrich Wilhelm II. wollte dort zwar sein eigenes Schloss bauen, scheiterte aber am Katasteramt. Sein Nachfolger kam auch nicht viel weiter, doch verdankt Potsdam seiner Luise die Umbenennung in Pfingstberg, das war 1807. Der Romantiker auf dem Thron war so romantisch, seine Anregungen bereits 1828 aus Italien zu importieren, Baubeginn fürs Belvedere war neunzehn Jahre später. Es blieb Fragment. Vor allem das Wichtigste, ein Casino als Wohnhaus, wurde nie begonnen, so dass ein Zuhörer-Herr ganz rechtens von einer „leeren Kulisse“ sprach.
Unvollendet also erbten es die Nachfolger. Noch in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts war es ein beliebter Aussichtspunkt. Nach 1945 nicht mehr, weil niemand das „KGB-Städtchen“ von oben her beäugen durfte. Trotzdem kletterten viele heimlich hinauf.
Aber der Verfall - Antrieb für ein paar Enthusiasten, sich 1988 im DDR-Kulturbund als „AG Pfingstberg“ zu engagieren – begann schon, als der letzte Arbeiter 1861 die Baustelle verließ. Viel Pfusch, etwa an der restaurierten Zyklopenmauer, keine Regenrinnen, das wusste man schon früher. Insofern hat die sagenhafte Leistung des Vereins (derzeit 60 Mitglieder) das Belvedere schöner und solider gemacht, als es je war. Natürlich bleibt man den Herren Reemtsma und Otto für die großzügigen Spenden verbunden, ohne sie wäre die Vollendung des Aufbauwerkes 2005 unmöglich gewesen. Der Verein hatte sein Ziel erreicht. Er löste sich aber nicht auf, sondern wurde Juniorpartner der Stiftung, und eigener „Betreiber“, sogar mit Arbeitgeber-Charakter.
Nach einem Besucher-Run und leichter Talfahrt jetzt ist er noch immer im Plus. Weil er aber keine Gewinne machen darf, „investiert“ man nun in das Gärtnerhaus der Villa Lepsius: „Wir machen weiter!“
Den gesamten Vortrag von Eva Riks wird man sicher in der Folge-Publikation 2010 nachlesen können, die Reihe wird ja fortgesetzt. Band 1 enthält Beiträge zur Baugeschichte und Restaurierung der Villa Quandt, eine Darstellung von Prinz Oskars Wirken im Johanniterorden sowie eine aufschlussreiche Skizze zur Siedlungsgeschichte der Nauener Vorstadt von den Anfängen bis heute.
Gerold Paul
Gerold Paul
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