Kultur: Wissen schafft Fantasie
Lesung der Besten im Literaturwettbewerb des Helmholtz-Gymnasiums Potsdam
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Lesung der Besten im Literaturwettbewerb des Helmholtz-Gymnasiums Potsdam Ist Fantasie wichtiger als Wissen? Albert Einstein maß ihr größere Bedeutung zu, weil sie ihm im Vergleich zum Wissen unbegrenzt schien. Zwar kann die Fantasie nur mit jenen Zeichen, Formen, Fakten und Bildern jonglieren, die zuvor als Wissen im Gedächtnis abgespeichert worden sind, doch scheinen die Kombinationsmöglichkeiten eben so unendlich, dass der Fantasie tatsächlich keine Grenzen gesetzt sind, vorausgesetzt, die Fähigkeit des spielerischen, kreativen Kombinierens wird beständig trainiert. Die Mädchen und Jungen, die sich am 5. Literaturwettbewerb des Helmholz-Gymnasiums beteiligten, wissen das. Mit erstaunlicher Sprachfertigkeit und Freude am Fabulieren schrieben sie Gedichte und Geschichten, in denen sie sich vermittelt oder sehr direkt mit dem Einstein-Zitat und Wettbewerbsmotto „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt“ auseinander setzten. Am Donnerstagabend wurden die besten Arbeiten in der Aula prämiert. Albert Einstein persönlich lud in sein „Wohnzimmer“ und führte professoral, mitunter etwas zerstreut durch einen unterhaltsamen Abend. Schüler des Deutsch-Leistungskurses der 12. Klassen übernahmen die Dramaturgie, in der Schauspielereien, Musik, Lesungen und Laudationes die Wechselbeziehung von Wissen und Fantasie immer wieder neu unter Spannung setzten. So fühlte sich Vorleser Klaus Büstrin zu einer besonders lebhaften Interpretation der Siegertexte angespornt. Einfühlsam nahm er die Sprachmelodie der Geschichten auf, färbte die Stimme so nuanciert, wie es die vielfarbigen Texte verlangten, und scheute auch nicht davor, in die verschiedenen Rollen der „redenden“ Personen zu schlüpfen. Reichlich Gelegenheit dazu bot ihm die Geschichte „Die schwarze Spirale“ von Lea Rosa Holtfreter, Siegerin der 5. und 6. Klassen. Während die jüngsten Autoren noch völlig unbefangen und spielerisch zwischen Märchenwelt und Wirklichkeit hin- und hersprangen, dabei unglaubliche Fantasiegebilde erstehen ließen, suchten die etwas Älteren bereits nach stärkeren Bezügen zur konkreten Lebenswelt, so wie der 13-jährige Tilmann Albrecht, der in seiner Geschichte vom „Gewitter“ die Zusammengehörigkeit von Wissen und Fantasie auf die Freundschaft zweier gegensätzlich veranlagter Jungen übertrug. Wie der verträumte, fantasievolle Tim und der wissbegierige Igor einander ergänzen, ist spannend und komisch zugleich. Eine klug konstruierte und schlüssig aufgelöste Erzählung. Dass das Schreiben helfen kann, sich in der komplizierten Zeit des Erwachsenwerdens mit sich selbst zu verständigen, zeigten einmal mehr die Beiträge aus den 9. und 10. Klassen, in denen aufkommende Schwermut, verwirrende Gefühle aber auch Konflikte in der Familie thematisiert wurden. Der Siegertext von Hilde Pank erzählt sehr sensibel von der Einsamkeit eines Jungen, der sich in versöhnliche Träume flüchtet, um die Trennung von seinem Vater und seinem Bruder aushalten zu können. In den Beiträgen der höheren Klassen nahm die Genrevielfalt zu. Auch tauchten mehr Gedichte auf, wurden Stilmittel bewusster eingesetzt. „Ehefrau: gesittet in weiß, wenn es beliebt“ heißt die prämierte Geschichte aus der Sekundarstufe II. Lena Thiel schreibt im Shortstory-Stil von einem Mann und seiner Familie: gelassen, heiter, detailverliebt. Die Idylle aber endet schockierend. So süßlich die junge Autorin den schönen Schein schilderte, so unerschrocken wählte sie am Ende die Worte des Grauens. Ein schauriges Spiel der Fantasie. Antje Horn-Conrad
Antje Horn-Conrad
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