Kultur: Wo die Wölfe heulen
„Schröders wunderbare Welt“ im Thalia
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Mitten in der Pampa sitzen drei Frauen an der blauen Bushaltestelle vor dem weiten Feld und scheinen nichts anderes zu tun zu haben, als zu sitzen und zu warten und ab und zu eine Zigarette zu schnorren. Immer mal wieder fährt ein riesenlanger, fast leerer Zieharmonika-Bus an, hält, und jemand steigt aus. Der oder die steht dann neben den Frauen, und nach einer gewissen Scheu trauen sich die Alten, den Neuankömmling um ein Zigarettchen zu bitten. Manchmal bekommen sie eine, manchmal nicht.
Auch die Nachbarin von Schröder (Peter Schneider), die erfolglose Musikagentin Maria (Michaela Behal) kommt dort an, weil sie einem Hilferuf des schüchternen jungen Mannes, der das gesamte schlesische Dreiländereck retten möchte, gefolgt ist. Natürlich kann der, der sie abholen wollte, aber noch schnell in Tschechien mit dem golfspielenden Bürgermeister etwas verhandeln musste und deshalb seinen Zug verpasste, nicht rechtzeitig da sein. Sie will schon wieder abfahren, nachdem sie den drei Damen ihre Zigaretten gegeben hat, die diese mit sichtlich einstudiertem Genuss rauchen, aber dann hat sie doch ein Herz - am Ende des Films auch für den gescheiterten Weltverbesserer Schröder. Bis dahin dauert es aber.
Dabei wollte Regisseur Michael Schorr sicher alles richtig machen, und schließlich hat er mit seinem Erstlingsfilm „Schultze gets the blues“ bewiesen, dass ihm die Abkehr von der üblichen hektischen Filmschneiderei und den allzu vielen Naheistellungen in Kombination mit einer skurrilen Story gelingen kann. Die ist bei „Schröder“ zunächst einmal gar nicht schlecht gedacht: Ein junger Idealist möchte die drei Landstriche, die an der Grenze jeweils in fast sprachloser „na dann-na ja gut“-Tristesse dümpeln, durch das Großprojekt eines Tropenparadieses in den ehemaligen Abraumhalden und -seen wieder zu wirtschaftlicher Prosperität bringen. Dazu werden die drei Bürgermeister von Trauchritz, Grabstejn (Tschechien) und Bogatynia (Polen) in den Aufsichtsrat berufen, das Geld kommt vom amerikanisch-russischen Großinvestor, der am Ende bei einer gemeinsamen Jagd in heilloser Jagdliebe zu heulenden Wölfen verstrickt ist. Dass die, die wie die Wölfe heulen, die das Großprojekt torpedierenden Jungnazis sind, merkt der Jagdfanatiker nicht. Also müssen alle Männer, inklusive des Altnazis und Onkels von Schröder, die Nacht im Schneemärchenwald verbringen, und am Ende tummeln sich tatsächlich drei wolfsähnliche Tiere vorm wieder aufgegebenen Investitionsprojekt.
So weit das Land, so lang die Einstellungen, so gewollt-skurril das Personal, der Film kann leider nicht verbergen, dass er um mindestens 45 Minuten zu lang geraten ist. Vielleicht war Regisseuer Michael Schorr deshalb anfangs recht nervös, als er sich am Freitagabend im Thalia dem Publikum stellte. Das aber machte Komplimente zu einigen der Bilder, so dem absurden Kreisverkehr, der eine gerade Straße unterbricht, oder dem „Sensenmann“ im tschechischen Dorf, der vor untergehender Sonne sein Werkzeug liebevoll anlächelt. Auchdie Aufnahmen des polnischen Großkraftwerks und des Ingenieurs, der mit seiner kleinen Maus das gesamte Sicherheitssystem zum Erliegen bringen kann, wurde gelobt. Dass Schorr den Schluss einfach offen ließ, interpretiert er selbst als „märchenhaft“ und „schließlich verlaufen sich ja viele im Wald“. Sicher ist das ein deutscher Topos, aber manche verlaufen sich auch in ihren Drehbüchern, in denen kein Wolf heult, um einige Seiten zu kürzen. Schade eigentlich, denn das Thema hatte viel Potential. Lore Bardens
Lore Bardens
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