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Kultur: Wo Worte nur stören können Oregon im Foyer

des Nikolaisaals

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Der schmale und ein bisschen kahle Mann an der Oboe macht nur wenig Worte. Kurz stellt er den Zuhörern im gut gefüllten Foyer des Nikolaisaals am Mittwoch seine Mitspieler vor: Ralph Towner, Gitarre, Klavier und Keyboards, Glen Moore, Kontrabass, Mark Walker, Percussion und schließlich er selbst, Paul McCandless an Oboe, Saxophon, Flöten. Gemeinsam bilden sie das Jazz-Quartett Oregon, eine der beständigsten Jazz-Formationen weltweit. Seit ihrer Gründung vor mehr als 40 Jahren haben sie ein Album nach dem anderen produziert. Zusammengerechnet sind die Musiker inzwischen 263 Jahre alt, was man nicht glauben möchte, wenn man ihre Musik hört. Denn wie jede gute Musik ist die alterslos und hat die Zeiten scheinbar mühelos überdauert.

Dass Worte bei solch einem entspannten Bad in der Musik eher stören, ist klar und lässt einen darüber hinwegsehen, dass Titel kaum genannt werden. Wie eng die vier musikalisch miteinander verwachsen sind, zeigt sich bei ihrem lockeren Spiel. Ralph Towner flitzt über die Saiten von akustischer Gitarre und E-Gitarre, lockt mal spanische, mal elektrische Klänge hervor. Dazwischen lässt er aus Piano und Keyboard Jazz-Kaskaden aufsteigen. Auch die meisten Kompositionen stammen von ihm, darunter bekannte Klassiker und viele von der neuesten CD „Family Tree“. Deren Titel steht zeichenhaft für die Entwicklung der Band, die wie ein großer Baum immer neue Äste ausgebildet, fast jedes Jahr neue CDs produziert hat und dabei ihrem typisch-entspannten West-Coast-Sound treu geblieben ist. Dass Oregon immer ein bisschen zwischen Kammermusik und Jazz changiert, macht ihre Musik umso anziehender. Mit seinen unverkennbaren Bläserklängen hat Paul McCandless das Tonbild geprägt wie kein zweiter. Durch ihn wurde die Oboe hoffähig für den Jazz. Bei ihm klingt das Barock-Instrument klar wie eine kühle Quelle, ein erquickender Kontrast zum opaken, melancholischen Timbre seines englischen Horns. Auch mit einem Arsenal von Saxophonen aller Art, großen und kleinen Flöten färbt Paul McCandless jedes Stück neu und anders ein. Dazu groovt der Mann am Kontrabass, Glen Moore, dass es ein Heidenspaß ist. Wenn er sein 300 Jahre altes Instrument mal mit dem Bogen streicht, wirkt das wie zärtliches Streicheln. Gleich darauf zupft er wieder mit dem coolen Understatement des Bassisten die Saiten, dunkel vibrierend.

Bei einer ausgedehnten Improvisation zeigen alle vier, wie intuitiv und gut geschmiert das Zusammenspiel läuft. Als jüngstes Mitglied senkt Schlagzeuger Mark Walker mit seinen 52 Jahren das Durchschnittsalter der Band erheblich. Ursprünglich gehörte der hochtalentierte Drummer und Sitarspieler Colin Walcott zur Band, der bei einer Tournee in der ehemaligen DDR im Jahr 1985 bei einem Autounfall starb. Mark Walker bringt lateinamerikanische Rhythmen mit und lustige Klapper-, Schnarr- und Schüttelklänge aller Art, wie die einer langen Muschel-Nussschalen-Steinchen-Kette. Zum Finale gibt es eine fetzige Rhythm- and Blues-Improvisation.

Ach ja, und eine Bitte hat der asketisch wirkende Mann an der Oboe noch an das Publikum: „Vergesst nicht, eure Kinder mit unserer Musik bekannt zu machen.“ Dabei hat doch dieses Konzert gezeigt, dass Oregon schon längst ein Klassiker geworden ist. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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