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Kultur: Wohlig kuscheln und kraftprotzen

Schlossbenefizkonzert mit dem Groot Nederlands Mannenkoor in St. Nikolai

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Überaus beeindruckend, ja überwältigend war der Klangeindruck, als die auf den Altarstufen postierten 135 Sänger im mittleren bis gesetzten Mannesalter das Händelsche „Dank sei Dir, Herr“ anstimmten. Es schwellte an wie ein über die Ufer tretender Strom.

Es sei aller Anstrengungen wert, das alte Schloss wieder aufzubauen, sagte Nikolaikirchen-Pfarrerin Susanne Weichenhan vor Beginn des Stadtschlosskonzertes zum Wiederaufbau des symbolträchtigen Gebäudes, das am Dienstagabend der Groot Nederlands Mannenkoor unter Leitung von Martin Mans im vollen Gotteshaus bestritt. „Die Sehnsucht nach Schönheit und Harmonie, wie sie beide Gebäude darstellten“, solle unbedingt wieder erlebbar werden, betonte die Pfarrerin. Auf gleicher Wellenlänge bekundete auch Michael Schöne, Vorsitzender des Fördervereins, dass in diesem Ensemble am Alten Markt „immer die musische Kultur auf die Baukultur getroffen ist“. Er wolle, wenn das Wahrzeichen wieder errichtet sei, die traditionellen Schlosskonzerte neu beleben.

Vielleicht dann auch erneut mit dem Großen Niederländischen Männerchor, der mit seinem stürmisch gefeierten Auftritt an die gewachsenen Beziehungen zwischen der Residenzstadt und holländischen Künstlern, Architekten und Lebensformen erinnerte und ganz in der Tradition bürgerlicher Musikbetätigung steht. Was einen bei Männerchören zuweilen an Vereinsmeierei und Bierseligkeit denken lässt, stellt sich bei den vortrefflich verschmelzenden Stimmen der Holländer nicht ein. Stattdessen die Hochachtung vor ihrer Stimmkultur und Musikalität. In all“ ihren Beiträgen lieben sie das Voluminöse, den kraftvollen, eindrucksvoll brausenden, geradezu hymnischen Gesamtklang. Mitunter aber auch eine gewisse Kraftprotzerei, die sich von Forte an aufwärts hörbar wohlfühlt. Den Feinheiten manches Chorsatzes nachzuspüren, scheint die Sache ihres Dirigenten Martin Mans nicht unbedingt zu sein. Dass vom Text meistens kein Wort zu verstehen ist, muss daher nicht verwundern. Dafür lässt sich in dem Vorgetragenen wohlig kuscheln, überwältigt die tönend bewegte Klangmasse aus gut geschulten Kehlen. Wie beispielsweise in drei Sätzen aus Franz Schuberts Deutscher Messe, deren liedhafte Melodiosität sie genauso vorzüglich treffen wie amerikanische Spirituals oder niederländische Chorlieder, die sich in ihrer Terzenseligkeit deutlich am Volkslied orientieren.

Schön weich getönt, die Konsonanten zergehen wie Sahne auf der Zunge, breiten sich weitere geistliche Lieder aus, darunter das russische „Tebe Poem“ von Gawril Lomakin, einem einst bekannten Chorerzieher. Mit geradezu slawischer Inbrunst und Innigkeit klingt es auf – wie in einer weihrauchduftenden orthodoxen Kirche. Swingend und frisch stimmen sie das Traditional „By the rivers of Babylon“ an, eindringlich die Erinnerung an Martin Luther King und seine berühmten Worte „I have a dream“.

Stets wird ihr Gesang von Jan Vayne begleitet, der sich bei seiner soliden Flügelunterstützung klanglich mitunter etwas verloren ausnimmt. Dass er ein vorzüglicher Tastateur ist, beweist er zusammen mit Martin Mans an der Kreienbrinkschen Altarorgel von St. Nikolai bei einer als Improvisation angekündigten Solonummer. Sie entpuppt sich allerdings eher als eine crossoverische Mixtur aus Bachs d-Moll-Toccata, der Freudenmelodie aus Beethovens „Neunter“, deutscher Nationalhymne, Tschaikowskyschen b-Moll-Klavierkonzert Getreu des Mottos: Erkennen Sie die Melodie?

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