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Kultur: Wolfgang Zerer: Rasant und inbrünstig

Er sei immer wieder „freudig überrascht, wenn Organisten mit sonst nur selten gezogenen Registern aufhorchen lassen“, freut sich im Nachhinein Friedrich Meinel, „Geburtshelfer“ jener Schuke-Orgel in der Erlöserkirche, an der am Mittwoch der 18. Internationale Orgelsommer seinen Abschluss fand.

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Er sei immer wieder „freudig überrascht, wenn Organisten mit sonst nur selten gezogenen Registern aufhorchen lassen“, freut sich im Nachhinein Friedrich Meinel, „Geburtshelfer“ jener Schuke-Orgel in der Erlöserkirche, an der am Mittwoch der 18. Internationale Orgelsommer seinen Abschluss fand. Es war der einprägsame 16-Fuß-Dulcian aus dem Schwellwerk, der ihn faszinierte und dessen Einsatz im „Gott ist einfach“ aus dem Zyklus „Méditations sur le mystère de la Sainte Trinité“ von Olivier Messiaen für den Eindruck von inbrünstiger Verklärung sorgte, ehe die Harmonien mit dem Ruf der Goldammer in himmlische Höhen entschwinden. Und auch in der Dreifaltigkeitsmeditation über das Dogma „Gott ist heilig“ ist des Zwitscherns und Tirilierens von Gartengrasmücke, Amsel und Buchfink kein Ende, die zusammen mit den konstruierten Klangballungen viel vom Mysterium Gottes erzählen.

Der in Hamburg tätige Orgelprofessor Wolfgang Zerer wusste an der vollendet ausgeleuchteten Schuke-Orgel die raffinierten, künstlerisch überhöhten Formen mit viel klanglicher Wärme vorzutragen – anders als Wochen zuvor Winfried Kleindopf mit denselben Stücken am gleichen Instrument, die damals schroff erklangen. Nun also die eher klangmilde, jedoch nicht weniger fesselnde Version. Solche Vergleiche anstellen zu können, gehört mit zu den Vorzügen dieses Orgelsommers, der ganz im Zeichen des 100. Messiaen-Geburtstages stand. Doch nicht nur an der für seine Werke besonders geeigneten Schuke-Orgel, sondern auch an der Woehl-Orgel in der Friedenskirche überzeugten die entsprechenden Werke. Dort kombinierte sie Matthias Jacob mit Werken von César Franck und Max Reger. Winfried Kleindopf kontrastierte sie in Erlöser mit Bach, während Wolfgang Zerer sie mit Georg Muffat, Mendelssohn Bartholdy und Bach garnierte. Auch gehörte er zu jenen Interpreten, die ihre Gedanken zur Programmzusammenstellung zuvor den Kennern und Liebhabern vortrugen. Dem Verständnis oftmals sehr dienlich, sollte diese Dienstleistung auch in kommenden Orgelsommer-Jahren den Interpreten abverlangt werden.

Wie nur wenigen, gelang es Zerer, die Möglichkeiten der Schuke-Orgel klangsinnlich auszureizen. Muffats „Toccata decima“ erklang festlich-strahlend im Organo pleno, in den Veränderungen klangfarblich abwechslungsreich. Der Organist wusste genau, mit welchen Soloregistern er virtuose Wirkungen erzeugen konnte. Auch in den für Orgel transkribierten Klavier-„Variations sérieues“ op. 54 von Mendelssohn führte er entsprechendes Können vor, indem er in einem spannenden Mix aus Lingual- und Labialpfeifen die Verwandlungen in ein unverwechselbares Gewand hüllte: in weich fließenden Samt für seufzende Synkopen, in wärmenden Wollstoff, schimmernden Satin, glänzenden Damast

Bachs Praeludium D-Dur BWV 532 spielte er tänzerisch beschwingt, in immer neuen Facetten schillernd, kurzum: sehr rasant. Und fasste es sehr konzertant auf. Weshalb er es auch als Preludio concertato im Programmheft annoncieren ließ. Des Jubilierens mit Händen und Füßen schien fast kein Ende. Zu Ende dagegen ist die von unterschiedlichsten Handschriften geprägte Orgelsommer-Saison. Peter Buske

Peter Buske

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