zum Hauptinhalt

Kultur: Wollte Potsdam vor sein Schloss bewahren Der Goldene Barbar für Michael Braum

Der Lange Kerl am Entree zum rauch-freien Kabarett Obelisk mochte ja in seiner Uniform noch Staffage gewesen sein, aber Rudi van der Meer, angeblich seit vier Generationen Schuhputzer in Preußen? Er schrubbte und cremte am Freitag die Fußbekleidung der Ankommenden voller Eifer.

Stand:

Der Lange Kerl am Entree zum rauch-freien Kabarett Obelisk mochte ja in seiner Uniform noch Staffage gewesen sein, aber Rudi van der Meer, angeblich seit vier Generationen Schuhputzer in Preußen? Er schrubbte und cremte am Freitag die Fußbekleidung der Ankommenden voller Eifer. „Wissen Sie eigentlich, was die Reinigung einer solchen Kultureinrichtung kostet?“, fragte indes Markus Wilhelmy mit Zwirbelbart und Gehrock die Ankommenden. Mehr jedenfalls, als es Mühe machte, jedem Billett-Besitzer einzeln die Treter zu bürsten. Man ahnte schnell, dass diese Veranstaltung bei Programmbeteiligung von Gretel Schulte, Andreas Zieger und Helmut Fensch im Prolog nicht ganz so ernst gemeint sein konnte.

Es ging schließlich um die Verleihung eines Sonderpreises für extreme Untaten in Sachen Kultur, „Goldener Barbar“ genannt. Verantwortlich für Zugriff, Prüfung und Begründung war wieder der Verein „300 Jahre Preußen“, welcher zugleich sein Sommerfest in diesen satyrischen Hallen feierte. Die dem „Oscar vergleichbare, nur nicht so bekannte Auszeichnung“ kann erringen, wer sich ganz offenbar der Idee des Weltkulturerbes in Potsdam widersetzt, wer „mit anderer Leute Geld Blödsinn macht, ohne dass es Sinn ergibt“, wer Theater baut und dann das Ensemble nicht mehr bezahlen kann oder sich Schlösser auf Kosten kleiner Kultureinrichtungen erkauft. „Wir müssen Zeichen setzen, vor dem Tun nachdenken“, sagte Vereins-Chef Wilhelmy, doch einer gewinnt den „Goldenen Barbaren“ ja immer.

Nach dem einstündigen „Eisbär“-Extrakt betraten Werner Scholl (Klavier) und der Russe Dmitri Levine (Cello) die Bühne. Wohltuend schräg spielten sie das Largo von Händel sowie ein Menuett und ein Rondo von Luigi Boccherini. Laudator Markus Wilhelmy stellte die abwesenden Kandidaten vor, Vertreter von Bund, Land und Örtchen. Unter anderen Ursula von der Leyen, deren Krippenplan nicht nur „Deutschland von der Pflicht zur Kindererziehung befreit“, sie schaffe so auch die Arbeitsplätze der Zukunft, womit der Redner Psychologen, Therapeuten und Gefängnispersonal für die Herangewachsenen meinte. Dezernentin Elona Müller stand für die Erfindung neuer Sportarten in Potsdam, etwa „Grabensprünge“ in der Charlottenstraße, „gesellige Stau-Events“ in der Stadt seien ohnehin ein Beitrag zum Umweltschutz. Jürgen Rohne wurde ob seines Einsatzes zur Säuberung des Schafgrabens gewürdigt, Jann Jakobs für die „Pflege zweitrangiger Kulturgüter“, nichts sei ihm zu teuer, einen Graben zu sichern oder Sichtachsen durch „Brachen“ zu schlagen, von den verfehlten Millionen für das „Spaßbad“ zu schweigen. Peter Schultheiß wurde aufgefordert, von den römisch-senatorischen Traditionen endlich zu den preußischen zu wechseln, ein ungenannter Minister hingegen für Fairness, Sparsamkeit und Bescheidenheit rund ums Schloss gelobt, er habe das Zeug zum Staatsmann. Man glaubte fast, Herr Speer sei gemeint.

Den „ganz kleinen Oskar“ gewannen nicht sie, sondern Michael Braum. Der Vorstandsmann von der Bundesstiftung Baukultur habe es nicht nur geschafft, „Lobbyziele zum Gesetz zu erheben“ und damit Steuergelder gegen unseren Stadtentwurf einzusetzen, er versuchte am 11. Juli in einer Massen-Veranstaltung auch ganz barbarisch, die Potsdamer vor ihrem Schloss zu bewahren, so die Begründung. Na, herzlichen Glückwunsch.

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })