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Auf tiefen Tönen in Traumwelten. Tobias Lampelzammer von der Kammerakademie Potsdam.

©  Elmar Schwarze/KAP

Kultur: „Wörter sind immer viel zu logisch“

Tobias Lampelzammer, Kontrabassist der Kammerakademie, über „Die Grammatik der Träume“

Stand:

Herr Lampelzammer, entspricht die Klangsprache des Kontrabasses vor allem auch der Klangsprache unserer Träume?

Ich glaube nicht, dass sich das am Klang festmacht.

Aber das Konzert am morgigen Donnerstag trägt den Titel „Die Grammatik der Träume. Ein Abend mit Träumen aus moderner Musik und Literatur“ und Sie sind mit Ihrem Kontrabass allein bei vier Stücken vertreten.

Ja, im Mittelpunk steht der Kontrabass, aber nicht nur. Es gibt zwar ein Solostück, explizit für Kontrabass von Kaija Saariaho. Wobei ich da aber auch mit der Klangkünstlerin Cornelia Friederike Müller, die sich CFM nennt, eine Partnerin habe.

Partnerin auf welchem Instrument?

Sie übernimmt den Elektronikpart. Der ist von Saariaho auch mitkomponiert worden. Die finnische Komponistin hat in der Partitur genau vorgeschrieben, wann welche Klangeffekte einzusetzen sind.

Und wie muss man sich dieses Zusammentreffen von Kontrabass und elektronischem Klangeffekt vorstellen?

Saariaho lässt den Kontrabass zum Teil durch ein Mikrofon verstärken. Und in diese Verstärkung hat sie dann Klangeffekte wie Verzerrungen, Hall und Verdopplungen eingearbeitet. Dadurch wird der Klang räumlicher, regelrecht um die Zuschauer herum gelegt. Dadurch entsteht das Gefühl, als würde man die Bodenhaftung verlieren. Musik also auch als ein sinnliches Erlebnis.

Wo ist da „Die Grammatik der Träume“?

Die findet sich in dem Prinzip, wie Saariaho komponiert. Das titelgebende Stück des Abends, „From the grammar of dreams“, stammt auch von ihr. Saariaho wirft, wie in unseren Träumen, Dinge durcheinander, setzt unmittelbar Schroffes gegen Weiches und ist einfach unberechenbar. Denn sie hält sich nicht an irgendwelche logischen Abläufe in ihrer Art zu komponieren. Aber von der Art, wie wir träumen, lässt sie sich sehr wohl inspirieren.

Die von Ihnen angesprochene Solokomposition für Kontrabass und Elektronik trägt den Titel „Folia“. Ist da der Kontrabass nicht doch etwas überfordert?

Sie meinen Folia im Sinne der Musik- und Tanzform der Renaissance und dem Barock?

Ja.

Das ist aber bei Saariaho nicht gemeint. Bei ihr kommt das von Folie, von Vorlage und Durchscheinen, verhüllt und trotzdem sichtbar.

Oh, so kann man sich täuschen.

Ach, ich hatte zuerst auch überlegt, ob der Tanz gemeint ist.

Lange war der Kontrabass vor allem dieses riesige, träge Ding im Hintergrund, das die Basis, das Fundament für die Instrumente geliefert hat, die die Melodie spielen. Das hat sich aber mittlerweile geändert?

Ja, die zeitgenössische Musik ist voll mit Sololiteratur und solistischer Literatur für Kontrabass. Gerade weil das Instrument in der Lage ist, mehr Farben, vor allem ungewohnte und ungehörte Klangfarben zu präsentieren. Und dann diese Tiefe, die, bis auf die Kontrabassflöte, die in unserem Konzert auch zu hören sein wird, kein anderes Instrument hat. Aber auch extrem in die Höhe kann es auf dem Kontrabass durch Flageolett-Töne gehen.

Sie lassen in „Die Grammatik der Träume“ auf die Musik die Literatur treffen.

Das ist spannend zu sehen, was machen Komponisten, was machen die Schriftsteller aus diesem Thema. Die unterschiedlichen Ergebnisse, zu denen man dabei kommt. Was kann die Literatur, was kann die Musik? Wo sind die Grenzen und die Möglichkeiten der jeweiligen Gattungen?

Und was kann die Literatur?

Was die Sprache unglaublich gut kann, ist das Erzählerische. Eine Geschichte von Anfang bis Ende zu erzählen.

Und die Musik?

Der Musik gelingt es, diese Vielschichtigkeit, das Unerwartete und auch Skurrile in den Träumen darzustellen.

Das kann die Literatur doch auch?

Ja, aber unsere Wörter sind immer viel zu logisch. Musik kann auch Unlogik präsentieren und man kann es nachfühlen. Uns hat diese Gegenüberstellung von Musik und Literatur interessiert. Und wir glauben, dass sich das Hören von Texten durch Musik wiederum intensiviert und umgekehrt. Was allen Kompositionen unseres Konzerts eigen ist: Sie schätzen das Intuitive höher als die Vernunft. Die beste Voraussetzung also für traumartige Musik. Darum taucht auch der Schriftsteller Heiner Müller in dem Programm auf, der gesagt hat, dass all sein Streben dahin gehe, eines Tages die Qualität der eigenen Träume beim Schreiben zu erreichen. Er stellt also all das, was ihm im Schlafzustand eingegeben wird, über das, was er sich tagsüber ausdenkt. Das ist der rote Faden durch den Abend. Ob das nun Kontrabass, die Kontrabassflöte oder die beiden Soprane sind, gerade in der Gegenüberstellung, den Gegensätzen liegt ja der Reiz.

Welche Traumwelten werden in „Die Grammatik der Träume“ durchmessen?

Es wird eine Reise durch eine traumvolle Nacht werden. Wir starten am Abend, wenn wir in einer schläfrigen, müden Stimmung sind. Und da ist „Spiegel im Spiegel“ von Arvo Pärt eine wirklich wunderbare Musik, die einen total glücklich macht, regelrecht hinwegträgt in eine andere Welt.

Klingt sehr nach einer schönen und friedlichen Traumreise. Wo bleiben die Abgründe, das Albtraumhafte?

Im Laufe des Abends wird es auch an Grenzen gehen, wird es extremer werden. Zum Beispiel „Fama VI“ für Kontrabassflöte und Stimme von Beat Furrer wird es dann schon ungemütlich. Das basiert auf dem Text „Fräulein Else“ von Arthur Schnitzler, das sich in eine Art von Wahnsinn hineinredet. Und mit „Lotofagos“ für Sopran und Kontrabass, auch von Furrer, das einen Aufschrei über eine Art Barriere hinweg als Thema hat, gehen wir dann schon eindeutig in Richtung Albtraum. Aber wir enden mit „Dream“ von John Cage, also einem wirklich schönen Aufwachlied.

Der Traum also mit all seinen Facetten.

Ja, und da hat die moderne Musik auch ganz andere Möglichkeiten. Und dabei zeigt sie wirkliche Abgründe auf. Also, das ist kein Abend zum romantischen Träumen, wie man sich das bei der „Träumerei“ von Robert Schumann vorstellt. Wir stoßen auch in Regionen vor, wo es ungemütlich wird.

Das Gespräch führte Dirk Becker

„Die Grammatik der Träume“ am morgigen Donnerstag, 20 Uhr, im Foyer des Nikolaissaals, Wilhelm-Staab-Straße 10/11. Der Eintritt kostet 15 Euro

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