Kultur: Wortgewaltig und ein Mann der Tat „arche“ erinnerte an
Franz Xaver Beyer
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Lange Zeit war der letzte Dienstag eines „arche“-Jahres dem „Zirkelschlag auf heiligem Boden“ gewidmet. Manfred Gläser und Michael Kindler, inzwischen zu „Haus-Historikern“ der Gemeinde St. Peter und Paul avanciert, trugen regelmäßig Geschichten und Schnurren „um eine Pfarrkirche in der Diözese Berlin“ vor, wie Küster August Burda sie von 1936 bis 1948 aufgezeichnet hatte. All das tat not und auch gut, denn alliierter Bombenterror hatte 1945 das gesamte Archiv der katholischen Gemeinde in Potsdam zu Asche gemacht. So war auch ein nicht ganz unwesentlicher Teil der Stadtgeschichte verloren.
Die beiden Forscher puzzeln deren „katholischen Teil“ nun sukzessive wieder zusammen. Anlässlich der hundertfünfzigsten Wiederkehr seines Amtsantritts bei St. Peter und Paul gedachten sie am Dienstag ihres „vielleicht bedeutendsten Pfarrers“, des Erzpriesters Franz Xaver Beyer (1826 bis 1892).
Er führte seine „Schäfchen“ seit 1860 durch alle Übel der Zeit, gleich ob sozialer Missstand, Waisennot, Cholera oder „Kulturkampf“. Die Liste seiner sichtbaren und unsichtbaren Werke ist lang. Gleich 1861 begründete der im Oberschlesischen geborene Bauernsohn in der heutigen Zimmerstraße ein katholisches Waisenhaus. Auch St. Josef gleich gegenüber ist sein Werk. Hier wohnten die Waisenkinder vorübergehend, bevor man es mit den Borromäerinnen aus Trier zu einem Spital umbaute. Pfarrer Beyer kümmerte sich um die ambulante Krankenpflege in der seuchengefährdeten Residenz, schuf mit einer „Kleinkindbewahr-Anstalt“ die erste „Kita“ in Potsdam. Um jungen katholischen Männern die Versuchungen der Straße zu ersparen, gründete er schon 1861 einen Gesellenverein, acht Jahre später auch eine konfessionsgebundene Mädchenschule. Er war der erste Pfarrer in der 1870 fertiggestellten „Katholischen Garnison- und Pfarrkirche St. Peter und Paul am Bassin, weiterhin zuständig für eine verstreute Gemeinde, deren ziviler Teil um 1880 bis nach Caputh und Glindow reichte und etwa fünftausend Seelen umfasste. Bei der militärischen Seelsorge kamen noch mal tausendfünfhundert dazu.
Die Referenten erzählten, wie schwer die Organisierung und Finanzierung dieser vielen Projekte war, zumal Kaiserin Augusta die „vatikanischen“ Aktivitäten in der Stadt anfangs wenig gnädig beäugte. Unfreundliche Protestanten-Brüder machten es ihm so wenig leicht wie die Behörden: Als St. Peter und Paul fertig war, übergab der Regierungskommissar nicht etwa dem Seelsorger den Schlüssel, sondern dem Kirchenältesten. Kurz entschlossen riss ihn Beyer an sich, er schloss auf! Während des Kulturkampfes waren dieselben Behörden sogar extrem eifrig. Verträge wurden gekündigt, den Barmherzigen Schwestern das Lehramt entzogen, die Gehälter gekürzt oder gestrichen. 1875 verwies man ihn und Kaplan Kimmer sogar des Pfarrhauses. Harte Zeiten, aber die Gemeinde gab ihm Barmherzigkeit zurück, sie versorgte die Ausgestoßenen mit Nahrung und Geld. Sterben freilich wollte er „als armer Mann“.
Zeitgenossen beschreiben den wortgewaltigen Erzpriester als Mann mit Herzenswärme, Charisma und Durchsetzungskraft. Weit blickend, soll er sogar jenes wüste Grundstück in Nowawes gekauft haben, auf dem erst 1934 die Kirche St. Antonius gebaut wurde. Seine letzte Predigt galt jenem Christuswort, wonach keiner in den Himmel käme, der nicht klüger als die Pharisäer und Schriftgelehrten sei.
Nach den letzten Sakramenten berührte ihn nichts Irdisches mehr, sein Leben endete am 13. Juli 1892. Begraben liegt er bei den Borromäerinnen auf dem Neuen Friedhof.Gerold Paul
Gerold Paul
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