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Kultur: Wortpoesie voll des trockenen Humors

Weihnachtskonzert mit dem Collegium musicum in der Friedrichskirche

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Kaum sind die letzten Töne des „Larghetto con moto“-Satzes aus Louis Spohrs (1784-1859) sinfonischem Erstlingswerk verklungen, tritt Schauspielerin Bettina Mahr durch den Mittelgang der Babelsberger Friedrichskirche auf, um als „Elisabeth“ lautstark von vorweihnachtlicher Hektik zu räsonieren. Was sie lapidaren und energischen, dann wieder schnoddrigen und witzigen, stets poetischen und pointenreichen Tonfalls vorträgt, entstammt der Feder von Literaturpäpstin Elke Heidenreich.

Deren Weihnachtsgeschichte „Erika oder Der verborgene Sinn des Lebens“ ist Mittel- und Höhepunkt des Weihnachtskonzerts mit dem Potsdamer Collegium musicum und so recht dazu angetan, das erwartungsfrohe Publikum im ausverkauften Gotteshaus nicht nur zum Schmunzeln, sondern auch zum lauthalsigen Juchzen zu bringen. Wem die Geschichte bislang unbekannt war, kommt aus dem Staunen über die Fabulierlust und -kunst der Literatin nicht heraus. Der telefonischen Einladung von Franz (Elisabeths Ex aus besseren Tagen), bei der man sich erneut die herrlichsten Gemeinheiten an den Kopf wirft, ihn über die Feiertage in Lugano zu besuchen, kommt sie nach mancherlei Bedenken schließlich nach. Als versöhnendes Geschenk will sie im KaDeWe „grobkörnigen elsässischen Senf“ erwerben, kauft stattdessen und spontan ein riesiges, plüschfelliges Schwein, das sie sogleich „Erika“ nennt. Die Reiseabenteuer können beginnen. Wie die süße Sau zur Kontaktaufnahme von sich bislang fremden Menschen im Zug oder Flugzeug beiträgt, beschreibt die Heidenreich hinreißend plastisch und nachdenkenswert. Immer neue Überraschungen, einschließlich der Reminiszenzen an kindliche Erlebnisse hält die Erzählerin bereit – und man verschlingt die Vortragende sozusagen gleich mit.

Die einzelnen Episoden, herrlich trockenen (Humor-)Tons vorgelesen, werden durch Teile aus Tschaikowskys „Nussknacker“-Ballettsuite unterbrochen. Und da kommt beim Erklingen nicht immer Freude auf. Um das spielerische Vermögen der ihm anvertrauten Liebhabervereinigung wissend, wählt Dirigent Knut Andreas sehr breite Tempi, mit denen beispielsweise der Tanz der Zuckerfee oder der Tanz der Rohrflöten an die Grenzen ihres klanglichen Zusammenhalts geraten. Seine Zeichengebung ist sehr genau. Doch nur so kann er das Orchester davor bewahren, vor den Noten (und letztlich vor sich selbst) kapitulieren zu müssen. Gestalterische Offenbarungen darf man nicht erwarten, zumal die Intonation anhaltend schwankt. So geht es zaghaft und tempogezähmt zu, wobei sich die grauen Zellen das falsch oder gar „schräg“ Klingende entsprechend umdichten und -denken müssen.

Als Elisabeth mit Erika vorm Mailänder Bahnhof die Buslinie A sucht, erfährt der Redefluss eine Zäsur, in der die Musiker, welch hübscher Gag, ihre Instrumente auf den Kammerton „a“ abstimmen. Hätten sie“s doch bloß früher schon getan – aber da war ja Mailand noch nicht in Sicht! Doch höre da: plötzlich klingt es besser, weil sauberer. Der „Arabische Tanz“ profitiert davon, der abschließende russische Tanz „Trepak“ wieder weniger. Da schien es erneut, als wohnte man – wie zu Beginn – eher einer Übungsstunde bei. Doch den Fans ficht es nicht an: lautstark feiern sie ihre Musiker. Peter Buske

Peter Buske

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