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Kultur: Wunderliches

„Im Garten vorgelesen“ bei Susanne Weichbrodt

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„Im Garten vorgelesen“ bei Susanne Weichbrodt Charles, der seltsame Prinz of Wales, schrieb aus herzlicher Zuneigung für seine beiden Brüder ein Märchen, um 1980 aufgelegt. „Der alte Mann von Loch Nagar“ gab am Wochenende Anlass, in Grube jenen Rosengarten zu besuchen, wo Klaus Büstrin vor just einem Jahr bei ganz ähnlicher Witterung zwei Märchen von Oscar Wilde vortrug. Englische Duftrosen, englische Prinzenliteratur – vielleicht sollten die beiden Urania-Veranstaltungen bei Sabine Weichbrodt noch etwas „englischer“ wirken, hatte man doch mit Purcell, Dowland und Campain drei sehr grazile Komponisten des insularen Frühbarocks für diese Gartenlesung ausgewählt: Lieder von Liebe und Sehnsucht, mit Purcell „Süßer als die Rosen“. Gäste kamen wie immer zuhauf, jetzt mit Feinkost und kontinentalem Wein von den Gastgebern betreut. Well, ein Bildungsabend könnte man sagen. Wieder jagten Mehlschwalben über dem Sommergarten, darin trotz Schnecken-Plage alles zeitgerecht blühte, Rosen zuerst, Malven und Beinwell, Glockenblumen und Rittersporn, Wicken und Jasmin, auch die junge Katalpe stand wieder im Grün. Von ferne imitierten Pappeln überm zugezogenen Himmel Regen. Es war kühl, doch trocken. Zu wenig Sonne für den vollen Rosenduft, bedauerte die Gastgeberin. Stellvertretend für Sabine Scholze, ruhig und sicher, las Esther Linkenbach auf einer Gartenbank, was der „spleenige“ Waliser sich da ausgedacht. Feine Distanz zu dessen flächiger Erzählweise schien mitzuschwingen, sein trockener Humor legte sich dennoch schnell aufs Publikum. Die Sache mit dem „Alten Mann“, fabelhafter Höhlenbewohner und Bergesstürmer im Schottischen, ist allerdings mehr eine Erzählung. Im ästhetischen Passiv widerfährt ihm mancherlei, Höhenflüge mit einem Auerhahn-Gepann, Bauchkneifen beim Gelage mit Forellen und Preiselbeeren; der Besuch bei den Gnomen im Berg geht genauso schief wie eine wegen Schneesturms abgebrochene Reise in die Metropole zum abrupten Finale. Excuse, dieser ausgedachte Alleskönner ist wirklich keine echte Märchenfigur. Man hörte trotzdem nicht ungern zu, schreibende Prinzen sind ja eher Mangelware. Von Birgit Barall einfühlsam auf der Gitarre begleitet und durch einen Gartenschirm geschützt, sang Juliane Sprengel diese filigranen Lieder im Original erstmals open air. Campain seufzte „Mein Geliebter will mich verlassen“, Dowland klagte „Geht hernieder, ihr Tränen“, Purcell rief „Nymphen und Schäfer“. Schöne, tief ins Herz gehende Klänge, viel zu fein für kühle Stunden und aufböenden Wind. „O solitude“! Die Sopranistin hatte gelegentlich etwas Mühe, dem rauen Nordwest zu trotzen. Selbst die braune Hauskatze, mit felizischem Selbstbewusstsein urplötzlich im Zentrum der Runde, konnte kaum helfen. Trotzdem tapfer geschlagen, Respekt. Alles am Freitag war und blieb eben ein wunderliches Märchen vom Prinzen.Gerold Paul

Gerold Paul

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