Kultur: Würde und Vergehen
Malerische Wirkung: Die Kuratorin und Direktorin des Potsdam-Museums, Jutta Götzmann, über die erste Werkschau der Potsdamer Fotografin Monika Schulz-Fieguth „Lumen et Umbra“
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Frau Götzmann, der Titel „Lumen et Umbra“ für die Retrospektive der Fotografin Monika Schulz-Fieguth ist zwar sehr klangschön, aber nicht alle wissen, was er bedeutet. Wäre da nicht die schlichte deutsche Übersetzung „Licht und Schatten“ besser gewesen?
Der lateinische Titel entsprang dem Wunsch der Künstlerin und ich fand ihn passend. Jeder ahnt ja, was gedanklich dahinter steckt. Uns war es wichtig, dass er zwei Aspekte ihrer Arbeit spiegelt: die technische Komponente und die inhaltliche. Frau Schulz-Fieguth widmet sich ja in großer Intensität menschlichen Schicksalen in ihren Licht- und Schattenseiten.
Die 1949 in Potsdam geborene Fotografin erzählt sehr eindringlich von menschlicher Würde und vom Vergehen. Auch dem Tabu-Thema Tod öffnet sie sich in sensiblen Nahaufnahmen. Was macht ihr uvres museumsreif?
Seit der Neuaufstellung unseres Hauses nehmen wir die Malerei, die Grafik und die Fotografie des 20./21. Jahrhunderts verstärkt in den Fokus. Nach Jürgen Strauss und Sybille Wagner ist es jetzt unsere dritte monografische Foto-Ausstellung. Monika Schulz-Fieguth ist aufs Engste mit Potsdam verbunden und es ist an der Zeit, ihr umfassendes Werk in einer Personalausstellung im Potsdam-Museum vorzustellen. Das Zentrum der Ausstellung bilden ihre Langzeitstudien, in denen sie menschliche Nähe und Verwundbarkeit auf unprätentiöse Art Ausdruck verleiht.
Nach welchen Kriterien haben Sie die 110 Bilder ausgewählt?
Es gab bislang keine wissenschaftliche Analyse des fotografischen uvres von Monika Schulz-Fieguth, meistens nur Kurztexte über sie. Deshalb habe ich mich ihrer künstlerischen Entwicklung unter Berücksichtigung ihrer Lehre an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und anderer Fotografen gewidmet und bin von ihrer Bildästhetik ausgegangen. Dabei schälten sich zwei große Schaffenszyklen der Künstlerin heraus, die ich in Abstimmung mit Monika Schulz-Fieguth und unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Anja Tack ausgewählt habe. Bis zum politischen Wechsel 1989/90 arbeitete die Fotografin technisch analog in Schwarz-Weiß und verfolgte einen stärker dokumentarisch-erzählerischen Ansatz. Sie widmete sich in ihren Langzeitstudien sozialkritischen Themen wie dem Leben von Menschen mit und ohne Behinderung in einer Kommune in Thüringen, für die es woanders in Ost- und Westdeutschland keine adäquaten Beispiele gab. Ein brisantes Thema. Auch ihre Fotoserie über den Potsdamer Astrophysiker Hans-Jürgen Treder, der völlig zurückgezogen in der Sternwarte Babelsberg lebte und den sie 25 Jahre begleitete, lässt uns diesen Außenseiter verständlich werden. Die Künstlerin übernimmt in ihren Nahsichten häufig eine Mittlerfunktion.
Und was änderte sich nach der Wende?
Sie arbeitete jetzt digital und in Farbe: aber in einer sehr reduzierten Farbigkeit. Ihre Arbeiten sind künstlerischer geworden, das Dokumentarische trat zurück.
Vielleicht weil das Leben immer greller, bunter und hektischer wurde und sie die Stille und Reduzierung dagegen setzen wollte?
Das glaube ich weniger. Es ist eher ein innerer Prozess der künstlerischen Reife.
Könnten Sie Beispiele dafür nennen?
Nehmen wir das Porträt, ein ganz essentielles Thema ihres Gesamtwerks. Anfangs legte sie Wert darauf, dass die Porträtierten in ihrem Umfeld zu sehen sind: in ihrem Atelier, im Büro, in der Küche. Gut ablesbar ist das bei Barbara Raetsch. Sie fotografierte diese Potsdamer Malerin 1986 und 2010. Während sie die Künstlerin bei den früheren Aufnahmen mit natürlichen Lichtquellen und entsprechenden Accessoires wie Fenster, Töpfe und Blumen ins Bild rückte, reduziert sie 24 Jahre später alles auf ein Minimum. Sie schaltet den Kontext völlig aus und konzentrierte sich allein auf das bewegte Gesicht. In ihren „schwarzen Porträts“ agieren die Menschen fast wie auf einer Bühne, sie verlieren ihre zeitlichen und räumlichen Bezüge. Monika Schulz-Fieguth arbeitet mit den Stilmitteln der Konzentration und der Inszenierung, wozu auch der schwarze Fond gehört.
Was ihren Porträts etwas Malerisches gibt.
Ja, es waren auch nicht vordergründig die Fotografen, sondern die Maler, die sie immer faszinierten. Vor allem die der Renaissance. In dieser Orientierung liegt ein Schlüssel zum Verständnis der Fotografien von Monika Schulz-Fieguth. Das kann man in den Porträts ablesen, wie beispielsweise bei dem Potsdamer Model Franziska Knuppe, in dem bildästhetische Mittel durchscheinen, die an Leonardo da Vincis „Frau mit Hermelin“ erinnern. Auch von ihrem Zyklus über das Klosterleben in Heiligenkreuz bei Wien geht in dem Spiel von Schärfe und Unschärfe eine malerische Wirkung aus, andere Elemente führt sie wie in der niederländischen Malerei an die vorderste Bildebene.
Im Vorwort zu dem Katalog über Heiligenkreuz schreibt Pater Karl Wallner über das Göttliche, das aus den herrlichen Bildern der Fotografin Monika Schulz-Fieguth leuchte und das das Trübe und Traurige heller mache. Sehen Sie auch diesen göttlichen Funken?
Nein. Ich sehe eher die Faszination für den Ort der Ruhe und Zurückgezogenheit, für die Ästhetik der Besinnung auf sich selbst und nicht so sehr die spirituellen Aspekte. Ein guter Künstlerfreund aus Potsdam zog sich in dieses Kloster zurück und lebt dort als Pater Raphael. Sie wollte sicher dieser menschlichen Entscheidung in all seinen Konsequenzen nachspüren.
Es sind starke existentielle Themen, die Monika Schulz-Fieguth immer wieder beschäftigen. Sie begleitete ihren Vater und Onkel und auch ihren Freund Peter Herrmann, der viele Jahre am Potsdam-Museum arbeitete, bis ans Sterbebett. Wie schafft man das?
Dazu braucht man eine extreme Nähe, gegenseitige Akzeptanz und Respekt. Und das zeichnet sie aus. Sie ist in der Lage, eine Atmosphäre des Vertrauens und Verstehens zu erzeugen.Das Interview führte Heidi Jäger
Die Ausstellung ist ab dem heutigen Samstag im Potsdam-Museum, Am Alten Markt 9, zu sehen. Es erscheint ein Katalog.
Jutta Götzmann, Jahrgang 1965, ist promovierte Kunsthistorikerin und Gründungsdirektorin des PotsdamMuseums an seinem neuen Standort Alter Markt. Sie leitet das Haus seit 2008.
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