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Kultur: Zahlen und Zärtlichkeit

Ein glücklich-dimensioniertes Ende der Potsdamer Hofkonzerte 2006 im Schlosstheater mit Anna Korondi

Stand:

„Die 17. Hochsaison 2007 steht!“ verkündete Barbara V. Heidenreich zu Beginn des letzten Hofkonzerts in diesem Jahr im vollbesetzten Schlosstheater. Jene frohe Botschaft vernahm sogar eine finnische Reisegruppe, die sich zu der brillanten Vorstellung mit der ungarischen Sopranistin Anna Korondi eingefunden hatte, aber Professionalität und internationales Niveau, man weiß es längst, gehören ja zum Markenzeichen der gefragten Veranstaltungsreihe. Sie stand, mit Ausnahme dieses „Oh, fröhliche Zeit! Oh seliger Traum!“ betitelten Weihnachtskonzertes, ganz unter denkmalpflegerischen und kulturhistorischen Aspekten nach Potsdamer Couleur. Jedenfalls gab sich eine Sängerin die Ehre, welche sonst in Salzburg oder Bayreuth arbeitet: Anna Korondi. Manuel Lange begleitete ihr Programm, vorwiegend geistliche Werke aus dem 19. Jahrhundert, mit kongenialem Feingefühl am Flügel, während eine Projektion des verschneiten Neuen Palais im Bühnenhintergrund jene Dimension ergänzte, welche die Natur Weihnachten nicht lieferte.

Im 19. Jahrhundert explodierte der Atheismus geradezu, die rasante Industrialisierung gebar neue, manchmal zur Schwülstigkeit neigende Stile. Komponisten wie Peter Cornelius oder Hugo Wolf, beides leidenschaftliche Wagner-Verehrer, versuchten dem mit „neuer Innigkeit“ zu begegnen, und so besang ersterer in seinem Opus 8 „Weihnachtslieder“ sowohl den „Christbaum“ wie auch „Simeon“ und das Christkind als „Kinderfreund“. Anna Korondi hat alles, was eine begnadete Sopranistin auszeichnet. Ihre exzellente, stets sichere und modulationsbereite Stimme kann sich in den unterschiedlichsten Liedern wiederfinden, als ob es allesamt die ihrigen wären. So hörte man ihren hellen Sopran mit Zärtlichkeit und gestaltendem Ausdruck von den Kindern in Christo erzählen, mit Hugo Wolf von dem „Spanischen Liederbuch“, dessen „Ach des Knaben Augen“ und „Die ihr schwebet“ besonders eindrucksvoll gelungen waren. Zur Erheiterung trug dann ein literarisch-wissenschaftliches Intermezzo von Roger Highfield bei, ein Vortrag, darin mit glasklaren Zahlen „bewiesen“ wurde, warum der Weihnachtsmann unmöglich 120,8 Millionen Kinder mit einem 31-Stunden-Tag weltweit bescheren könne, weil sein Schlitten dafür Geschenke mit einer Masse von 378tausend Tonnen tragen müsste, was bestenfalls mit 216tausend Rentieren und einer Geschwindigkeit von 1040km/sec. möglich wäre, sofern der Zug wegen des physikalischen Widerstands nicht längst verdampft sei: Achthundert errechnete Besuche pro Sekunde – „Wie macht er das bloß?“, fragte Schauspieler Jens-Uwe Bogadke ratlos ins Publikum.

Nach der Pause erklangen in derselben musikalischen Qualität Lieder von Franz Schubert und dem zum dramatischen Popanz neigenden Richard Strauss. Schuberts „Raste Krieger! Krieg ist aus ...“ gehörte zum Schönsten der Matinee. Man möchte es allen Militanten zum Pflichthören empfehlen. Strauss’ vertonte Heines „Heilige Drei Könige“ und „Winterlieder“ von Karl Henckell, was der Solistin trotz eleganter Darstellung etwas Kraft abverlangte.

Ein glücklich-dimensioniertes Ende jedenfalls zu Ultimo: für Barbara Heidenreich sind Hochsaison und Hochkultur noble Synonyme. 2007 wird ins Zeichen des Elements und Mysteriums „Wasser“ getaucht. Gerold Paul

Gerold Paul

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