Kultur: Zartes Leben
Sinfoniekonzert mit dem Staatsorchester Frankfurt
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Das zu Beginn gespielte Werk beim Konzert des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt(Oder) lässt die Frage aufleben: Darf man Werke klassischer Musik, die für ein bestimmtes Instrument geschrieben wurden, bearbeiten oder nicht? Was einige konsequent ablehnen, tun andere ganz natürlich. So wurde Johann Sebastian Bachs berühmte Partita Nr. 2 d-Moll für Violine solo neugefasst von so berühmten Komponisten wie Felix Mendelssohn, Robert Schumann und Johannes Brahms. Dann folgte ein gewisser Joachim Raff mit der ersten Version für großes Symphonieorchester, die es am Samstag im Nikolaisaal zu hören gab. Die Antwort sei vorweggenommen: Wenn man so herangeht, wie jener, darf man nicht. Diese Bearbeitung zerlegt, parfümiert, poliert und polstert die genialische Chaconne aus Bachs d-Moll-Partita auf eine Weise, die verboten werden müsste. Dieser spätromantisch tosende, triumphale Stil mit Pauken, Blechbläsern und biedermeierlichem Kling-Klang diskreditiert die originale Substanz des Stückes vollkommen. So wirkte die Aufführung trotz aller Bemühungen des Staatsorchesters wie ein Stück Crèmetorte, deren Verfallsdatum lange überschritten ist.
Umso erfreulicher war das Folgende. Die junge Geigerin Veronika Eberle, die schon als veritable Nachfolgerin von Anne-Sophie Mutter gehandelt wird, spielte das Violinkonzert von Alban Berg. Einerseits ist dieses Werk noch der Tradition der Solokonzerte des 19. Jahrhunderts verhaftet, andererseits im avantgardistischen Zwölf-Ton-Stil komponiert, wenn auch mit zahlreichen tonalen Zitaten. Das dem „Andenken eines Engels“, der früh verstorbenen Manon Gropius gewidmete Werk stellt für den Solisten eine große Herausforderung dar. Die Violinstimme verkörpert hier gewissermaßen die Stimme eines ganzen Lebens. Veronika Eberle, die auf einer Guadagnini-Violine aus dem früheren Besitz von Adolf Busch spielt, besitzt trotz ihrer erst 20 Jahre, Technik und Klangkultur in hohem Maße, um die Ansprüche dieses sperrigen Werks zu bewältigen. Mit intensivem Ton, straff gespannten Linien, scheut sie nicht vor schmelzendem Vibrato zurück, weiß aber auch kleinste tonale Partikel mit zartem (Rest-)Leben zu erfüllen. Der Hörer spürt gleichsam mit ihr den feinen tonalen Rückungen, den modalen Wandlungen nach bis hin zur finalen Apotheose im höchsten Flageolett mit pizzicato und engelgleichen Flötentönen. Für diese großartige Leistung gab es begeisterten Applaus, aber leider keine Zugabe.
Mit Beethovens siebter Symphonie präsentierten die Frankfurter unter zupackender Leitung ihres Chefdirigenten Howard Griffith ein weiteres hochdifferenziertes Werk, das beinahe jedes Orchester seine Grenzen spüren lässt. Die Strukturen dieser vertrackten Symphonie klingen präzise formuliert, mit kantablen Passagen von Streichern und Holzbläsern. In den lyrischen Variationen des zweiten Satzes lässt Griffith das Orchester geradezu aufblühen, Streicher und Holzbläser schwingen und neigen sich nachgerade anmutig. Das Scherzo-Kernstück des dritten Satzes springt in synkopisch verzerrten Taktschlägen spannungsreich durch eine entfesselte Klangwelt. Mit Lust an theatralischen Effekten lässt Howard das Orchester immer wieder verstummen, um die Klänge anschließend umso feuriger aufflackern zu lassen. Erst recht der vierte Satz entpuppt sich als gut kontrolliertes Feuerwerk mit turbulenten Figurationen, frechen Synkopen und stampfendem Rhythmen, deftigen Posaunen und Trompeten, bevor der wirbelnde Zug triumphal zum Stillstand kommt.Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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