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Kultur: Zeiten und Wege

„Dornenzeit“ mit Alta Musica und Steffen Reiche in der Friedenskirche

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„Dornenzeit“ mit Alta Musica und Steffen Reiche in der Friedenskirche Manchmal summieren sich Eindrücke. Wer in der Friedenskirche mit nur einer „Dornenzeit“ dem Kreuzweg Christi gefolgt ist, sieht die Initiative dieser Gemeinde in anderem Licht, als es treue Begleiter aller bisherigen Veranstaltungen können. Jedesmal andere Gedanken, jedesmal andere Musik. In der vierten Passionswoche trat Pfarrer Steffen Reiche vor die „liebe Dornengemeinde“, um zu verkünden, dass man gemeinsam auf dem Wege sei und von Jesus, dem „Herrn der Zeit“, dieselbe auch „geschenkt“ bekäme, wenn man ihm nur folge. Er stellte das 42. Kapitel von Jesaja in einer Übersetzung von Martin Buber an den Beginn, schwer zu verstehen, denn hier wird „der Knecht Gottes, das Licht der Welt“ eingeführt und beschrieben, nach Luther: „Ich, der Herr, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand und behüte dich und mache dich zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da setzen in der Finsternis, aus dem Kerker“. Später folgte die Fortsetzung von Jesu Leidensweg nach Matthäus, der Verrat des Judas im 27. Kapitel: Jüdische Geistliche (Hohepriester) zahlten ihm jene 30 Silberlinge, bevor er sich erhängte. Seltsam korrespondierte der musikalische Part mit diesen hohen und schwerwiegenden Worten. Die Friedensgemeinde als Veranstalter hatte dankenswerterweise das Ensemble Alta Musica gewonnen, welches mit Fidel, Blockflöte, Saitentamburin und Drehleier mittelalterliche Waisen spielte. Petra Prieß und Rainer Böhm kommen aus Berlin, Juliane Sprengel ist den Potsdamern durch ihren glockenhellen Sopran bestens bekannt. Man hörte ein anonymes Kyrie und ein sphärisches Lamento (14. Jahrhundert.) aus Italien, dann auch Ciconia und Landini, Musik alter Tonart und ungeheurer Harmonik – wem wäre das Herz nicht erweicht, als das Trio „Es leucht durch graw“ aus dem Griffel Oswald von Wolkensteins (1377-1445) vortrug, warm und engelisch, ganz durchdringender Geist. Innere Wege. Steffen Reiche las danach trotz ungenügender Ausleuchtung eines der tief melancholischen Gedichte von Andreas Gryphius mit geringen Kräften, „Vanitas, vanitatem, vanitas“ – ein Hochgesang auf die Nichtigkeit und Zeitlichkeit der Welt und ihrer menschlichen Werke, um letztlich bei Mel Gibsons Film „Die Passion“ zu verharren, an welchem er nochmals in Sachen „Jesus ben Joseph“ ein wenig Theologie betrieb. Jener Streifen gehe nicht innere Wege, er verdecke die Leiden Jesu mehr als er sie zeige. „Warum aber“, so fragte er, „bleibt Jesu Passion mehr im Gedächtnis als etwa der Spartakus-Aufstand?“ Hier kam wohl ein wenig der Politiker durch. Nachdem er den Segen gesprochen, hörte man das „Benedicamus Domino“ (Anonym, 13. Jahrhundert), von Juliane Sprengel mit prachtvollstem Timbre interpretiert. Eine Estampia ließ man aus, als der Turm die sechste Stunde anschlug – Zeit zum Aufbruch. Auch die vierte Andacht zur „Dornenzeit“ endete stillen Sinnes. Gerold Paul Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach am 12. 3., 19 Uhr, und am 13. 3., 17 Uhr, in der Friedenskirche Sanssouci.

Gerold Paul

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