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Weniger Rock’n’Roller, eher der Träumer. Der Sänger und Gitarrist Thees Uhlmann.

©  Grand Hotel van Cleef

Kultur: Zeitgeist der Zugezogenen

Der Hamburger Geschichtenerzähler Thees Uhlmann spielt am Samstag im Lindenpark

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Als Thees Uhlmann im vergangenen Jahr auf dem Greenville-Festival im brandenburgischen Paaren im Glien in seiner unverzichtbaren Lederjacke auf die Bühne kam und der brüllenden Hitze trotzte, hatte man schon ein wenig Angst um ihn. Nein, Uhlmann, der in wenigen Wochen seinen 40. Geburtstag feiert, ist längst nicht mehr der jugendliche Lyriker der späten Hamburger Schule, in der er mit seiner Band Tomte kräftig mitmischte – die Zeit geht eben auch an ihm nicht vorüber. Uhlmann weiß das, aber er verschweigt es auch nicht: So bleiben seine Witze über seinen sich vergrößernden Bauchumfang im Gedächtnis. Aber Uhlmann war eh nie das Spiegelbild des Rock’n’Roll-Exzesses, eher der Träumer, der in seine Texte immer genug poetische Schwere einzubauen verstand.

Am kommenden Samstag ist Thees Uhlmann im Lindenpark zu erleben, und natürlich ist es nicht verwunderlich, dass dieses Konzert vom hiesigen Fußballverein SV Babelsberg 03 präsentiert wird. Uhlmann, das ist eben immer auch die Nähe zum Fußball, und ganz besonders auch zum FC St. Pauli, dem er mit Aufrichtigkeit huldigt – und der ja auch den Potsdamern nicht allzu fern sein dürfte. „Das hier ist Fußball“, eine der bekanntesten Balladen des Sängers, trägt den Kiezverein im Refrain: „Hooray, hooray, hooray, FC St. Pauli. Würde es gehen, würde ich dich umarmen. Das hier ist Fußball, das sind die Dramen“. Dabei steuert Uhlmann die besungenen Dramen am liebsten gleich selbst dazu. „Nur Musik und St. Pauli sind die einzigen Konstanten, die einen begleitet haben und begleiten“, hat Uhlmann mal gesagt – und sich mit diesem Zitat im kollektiven Gedächtnis seiner Anhänger und Leidensgenossen verewigt.

Dabei ist Thees Uhlmann gar nicht das Hamburger Aushängeschild, als das er so oft wahrgenommen wird. Geboren wird Uhlmann in Hemmoor, einem niedersächsischen Kaff im Landkreis Cuxhaven. Nun ist Hamburg jedoch nicht so weit weg, und wenn Uhlmann nur Landluft geschnuppert hätte, wäre es kaum zu dieser Hansestadt-Affinität gekommen. Vielleicht hat er auch ein bisschen Glück, dass er mit seiner Band Tomte den Nerv der Zeit trifft, vielleicht trifft dieser Nerv aber auch einfach ihn. Im Jahr 1999 begleitet Uhlmann die befreundete Band Tocotronic auf einer Tour und wird der Chronist dieser Zeit, in der die Hamburger Band auf dem Höhepunkt einer Welle ritt, die für sie mittlerweile abgeebbt sein dürfte. Es entsteht ein Buch namens „Wir könnten Freunde werden. Die Tocotronic-Tourtagebücher“ – zur gleichen Zeit setzte Uhlmann mit Tomte bereits selbst zum großen Sprung in die Musiklandschaft an.

Und er schafft es auch als Solokünstler, zu berühren, indem er die großen Geschichten erzählt, die immer auch auf sein eigenes Leben referieren. „Ich kam auf die Welt in einem Kadett, ein Poster von Littbarski über meinem Bett“, beginnt der Song, mit dem Uhlmann es 2011 schaffte, als Solokünstler wahrgenommen zu werden: „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“, ein Song, der eine mittelschwer melancholische Rückblende auf das eigene Leben gibt. Mit ganz viel Pathos widmet sich Uhlmann der Härte des Lebens, mit ganz viel Chorus ebenso. Und es sind die farbenfrohen Metaphern, die Uhlmann aneinanderreiht, die aber immer auch so viel von Banalität befreite Tragik beinhalten, dass bei Uhlmanns Konzerten besonders viele Köpfe auf Schultern sinken werden.

Nun mag man Uhlmanns Texte auch immer als etwas spröde empfinden, was ja nicht erst seit Tomte so ist. Aber wenn er eines niemals war, dann der Rocker, der am Ende eines Konzertes seine Gitarre zerschlagen würde. Nein, der norddeutsche Liederschreiber wird nicht ganz zu Unrecht als der niedersächsische Bruce Springsteen bezeichnet – obwohl er es sich in den vornehmlich leisen Tönen bequem gemacht hat. Und immer auch etwas abseits vom großen Business bleibt, indem er zum Beispiel seine Musik ausschließlich in seinem eigenen Label „Grand Hotel van Cleef“ veröffentlicht, das er gemeinsam mit dem Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch betreibt – und in dem genug Platz ist für die ganzen Geschichten, die Uhlmann noch zu erzählen hat. Und sicherlich wird er auch am Samstag die eine oder andere Anekdote aus seinem Leben zum Besten geben, ist doch dem geborenen Geschichtenerzähler das Private nie fremd gewesen.

Und vielleicht spricht es auch für Uhlmann, dass er sich im Vorprogramm einer radikalen Verjüngungskur unterzieht: Das Hip-Hop-Duo Zugezogen Maskulin, das sich nicht auf den plakativen Namen festnageln lässt. Wer dabei nur an Gentrifizierung, Drogenkonsum oder Macho-Rap denkt, hat sich von den gebürtigen Mecklenburgern schon ins Bockshorn jagen lassen. Die beiden Rapper Testo und Grim104 schaffen es, mit ihren Texten ein Berlin-Kaleidoskop zu erschaffen, das sie mit schrägen Perspektiven befeuern. Und wer ganz genau hinsieht, erkennt im Zeitgeist der Zugezogenen gewisse Parallelen zu Thees Uhlmann selbst.

Thees Uhlmann und Band am Samstag, 15. März, im Lindenpark, Stahnsdorfer Straße. Support: Zugezogen Maskulin, Beginn ist 20 Uhr, Eintritt im Vorverkauf 28,30 Euro

Oliver Dietrich

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