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Kultur: „Zirkelschlag auf geheiligtem Boden“

Kleine Geschichte von St. Peter und Paul, erzählt in der „arche“

Stand:

Die selbstgefertigte Kopie des Heiligen Sebastian, welcher unter Kaiser Diokletian im 3. Jahrhundert den Märtyrertod starb, hing in August Burdas enger Wohnstube. Obwohl als Katholik in keiner der „fortschrittlichen“ Parteien, hat man den Maler, Geschichtenerzähler und Küster bei St. Peter und Paul nach dem Krieg zum Oberlehrer für Kunsterziehung ernannt. Doch die SED-Genossen wollten, dass er als solcher auch die „neue Linie“ vertritt. Dies zu verhindern, half wahrscheinlich der von vielen Pfeilen getötete Heilige. Burda setzte sich unter das mehr als zwei Meter hohe Bild, sein Gegenüber damit zwingend, mit ihm auch den Sebastian anzuschauen ... Diese schnurrige Begebenheit war bei der letzten „arche“-Veranstaltung des Jahres am Dienstag zu hören.

Unter dem Titel „Zirkelschlag auf geheiligtem Boden“ gaben die fleißigen Hobby-Historiker Manfred Gläser und Michael Kindler, im „Boot“ nicht unbekannt, „kleine Geschichten aus der Katholischen Gemeinde St. Peter und Paul“ zum besten. Dies ist um so wichtiger, als das gesamte Archiv bei der Bombardierung Potsdams verloren ging. Jüngst erst taten sich Gemeinde und „arche“ mit einer anderen Publikation zur Ortsgeschichte Potsdams hervor – und man hat noch so einiges im Ärmel.

August Burda wurde 1908 in Wien geboren, studierte in Berlin Malerei und das Kunstschmiedehandwerk. Letzteres brachte ihm eine Augenverletzung ein und er wurde nicht eingezogen. Im Jahr seiner Hochzeit mit Elisabeth, 1936, kam er nach Potsdam, wo er eine Küsterstelle annahm. Er konnte das alte Gemeindearchiv noch nutzen, und tat es während des Krieges auf seiner alten Schreibmaschine reichlich. Vor seiner Umsiedlung in die BRD 1969 übergab er der Gemeinde eine schmale Mappe mit siebzehn Erzählungen. Alle haben mit Potsdam zu tun, gehören also zur Stadtgeschichte. Die obige Schnurre ist in ihr zwar nicht enthalten, dafür besitzen die drei vorgetragenenen Originale so viel Einfühlung und Substanz, dass man im Vortragsraum über dieTexte des Küster ins Staunen kam. Vielleicht wohnt in ihnen sogar die Kraft geistlicher Legenden. Ein Druck wird derzeit vorbereitet. Die erste beschreibt den Bildhauer Johann Peter Benkert anders als in den gelehrten Kunstbüchern, nämlich zwischen süddeutscher Barocktradition und preußischem Klassizismus, von innen heraus. „Er ließ sich von der schönen Welt fangen“, genauer vom „Potsdamer Götterhimmel“ Friedrich II., schrieb Burda im „Letzten Kunstwerk“. Dieses sollte ihm Lebenssumme und Sühne in einem sein. Der schwerkranke Künstler „kniete oft vor dem Kreuz, schaute oft ins Gesicht des Heilands, der ihn gebeugt hatte“. Seine letzte Zeichnung stellte ihn selbst als sühnenden Einsiedler dar. Die folgende Erzählung handelt von Konrad Süssmeier, Soldat des Vatikan um 1870, nach siebzehn Dienstjahren und der sieglosen Schlacht um Rom von Pius IX. in Ehren entlassen. Hier wird Geschichte aus päpstlicher Sicht geschrieben, sehr interessant. Er brachte die Kopie eines uralten kretischen Madonnenbildes nach Potsdam, welches, in St. Peter und Paul „gleich links neben der Tür“, so vielen Betern geholfen haben soll. Die letzte setzt einer namenlosen Alttöplitzer Mutter ein rührendes Denkmal. Drei Wegstunden nahm sie zu Fuß auf sich, um in Potsdam ihr inneres Zentrum, die Kirche, besuchen zu können, und manchmal kam sie da auch zu spät. Ihre zwei Söhne waren im Krieg, einer kehrte mit nur einem Arm und Bein zurück. Drei Wegstunden nahm sie auf sich, um Gott für dieses Geschenk zu danken. Für die Veröffentlichung eines anderen Zeitdokuments aus der Hand August Burdas sucht die Gemeinde noch dringend Sponsoren. Es ist die Beschreibung des Bombenangriffs am 14. April 1945 und der folgenden zwei Wochen. Der Küster starb 1980, nun kehrt er nach Potsdam zurück. Welch ein schöner Jahresausklang! Gerold Paul

Gerold Paul

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