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Kultur: Ziseleur des Orgelklanges

Tobias Frank gab beim Orgelsommer ein faszinierendes Konzert in der Friedenskirche

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Konzertprogramme, vor Zeiten konzipiert und dem Veranstalter mitgeteilt, sollten nicht unabänderlich sein. Sie kurz vor der Realisation abzuwandeln, muss daher nicht unbedingt Ausdruck eines Notbehelfs sein, sondern kann durchaus zu neuen Einsichten bei Interpreten und Hörern führen. Einst Geplantes weglassen, Neues einfügen – zu einem solchen Schritt hatte sich Tobias Frank bei seinem Orgelsommer-Konzert am Mittwoch in der sehr gut besuchten Friedenskirche entschlossen. Seine überarbeitete Abfolge bringt nunmehr thematische Bezüge weitaus überzeugender als zuvor geplant zur Geltung.

Sie beginnt mit Johann Sebastian Bach, schaut mit Antonio Vivaldi kurz beim Barock vorbei, um sich dann genüsslich in spätromantischen bis gemäßigt modernen Gefilden aufzuhalten. Das Publikum fühlt sich beim dem etwas mehr als einstündigen Ausflug durch Werk und Wiedergabe gut aufgehoben. Außerdem machen die kurzen Erläuterungen des Organisten zu den Intentionen der Komponisten zusätzlich neugierig. Bereits in der Sinfonia aus der Bach-Kantate Nr. 29 „Wir danken dir Gott“ erweist sich Tobias Frank, Kirchenmusiker an Sankt Lukas – Kulturkirche und Dom der Protestanten in München – durch seine fantasievollen Registrierungen als ein faszinierender Ziseleur des Klanges. Frisch und fröhlich, zügig und farbenreich trumpft er auf, weiß aber auch das Erhebende, Festliche und Strahlende im virtuosen Zugriff ertönen zu lassen. Die Bearbeitung des Instrumentalstückes stammt übrigens von Marcel Dupré (1886–1971), jenem französischen Komponisten und Organisten, der in Paris an der Kirche Saint Sulpice jahrzehntelang tätig ist und als schulebildender Professor am Conservatoire National das stolze Frankreich wieder zu einem Land blühender Orgelkultur gemacht hat.

In seinen Deux Chorales op. 59 ist seine Nähe zu Bach deutlich zu hören. Freundlich und gelöst, mit reichlich schnarrenden Stimmen spielt Tobias Frank „Freu dich sehr, o meine Seele“, getragen und in Pastellfarben „Liebster Immanuel, Herzog der Frommen“. Dann erklingt Vivaldis Concerto h-Moll als Variante einer Bach-Bearbeitung jenes Violinkonzert-Originals, aus dem Bach einst sein brillantes Konzert für vier Cembali und Streicher geschmiedet hat.

Auch als pures Orgelstück büßt es nichts von seinem konzertanten Zuschnitt ein: leuchtkräftig, pulsierend wie unentwegt sprudelndes Wasser, voller kraftvoller und kurz phrasierter Akkorde sowie funkelnder Lebendigkeit. Von ähnlich verführerischer Wirkung zeigt sich „Installation Prelude“ von Nico Muhly, einem 1981 geborenen, vorsätzlichen Opernkomponisten mit dem Hang zur Minimal Music, die dem Prelude einen speziellen Reiz verleiht. Mit orchestralen Orgelwirkungen warten sowohl das tänzerisch inspirierte „Scherzo in A flat“ des Briten Edward C. Bairstow (1874–1946) als auch die Orgelsonate Nr.11 d-Moll von Joseph Gabriel Rheinberger (1839–1901) auf. Dessen zweisätziges Opus setzt auf rauschhafte sinfonische Wirkungen. Tobias Frank bleibt diesem Rausch nichts schuldig: Voller Intensität lässt er das leidenschaftliche Adagio agitato aufrauschen, um die Cantilene mit seelenstreichelndem Tremolo umso süßer zum Klingen zu bringen.

Zur Krönung des Abends wird – das muss sein, im Jahr des 100. Todestags des Komponisten – die packende Wiedergabe der Choralfantasie über „Halleluja! Gott zu loben“ von Max Reger (1873–1916). Ein facettenreiches Hymnus, wie ein opulentes Mahl mit lyrischen Petit-four-Zwischengaben und formvollendetem Fugen angerichtet. Peter Buske

Peter Buske

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