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Kultur: Zitatenschatz

Slut mit exklusivem Radiokonzert im T-Werk

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Als das Akkordeon ins Spiel kam, gab es doch einen kurzen Schreck. Viele Gerätschaften hat man schon bei Konzerten auf der Bühne erleben dürfen. Doch so ein Akkordeon, da ist man vorbelastet durch das gequälte Gequieke, mit dem mancher Straßenmusikant vorbeieilende Passanten terrorisiert. Aber Christian Neuburger, Sänger und Gitarrist von Slut, übte sich in Zurückhaltung. Nur ein weiteres Element im breitwandformatigen Klangspektrum der Band aus Ingolstadt lieferte er mit diesem fragwürdigen Tasteninstrument. Und das auch nur für ein Lied.

Zu einem exklusiven Radiokonzert waren die fünf Musiker von Slut am Mittwochabend ins T-Werk in der Schiffbauergasse gekommen. Die Eintrittskarten gab es nicht an den üblichen Vorverkaufsstellen, sondern wurden über Radio Eins verlost. Das war der eine Teil des Exklusivitätsanspruchs: Hier wurde nur vor Ausgewählten gespielt. Und die genossen, was Slut boten.

Anlass für das Konzert ist das aktuelle, mittlerweile sechste Studioalbum mit dem bescheidenen Titel „Still No. 1“, auf dem Slut weiter ihre zitatenreiche Popmischung pflegen. In Berlin haben sie das Album eingespielt, sind ohne ein Konzept ins Studio gegangen und haben sich einfach auf ihre Ideen eingelassen. Instrumentale Bescheidenheit gehört dabei nicht zu den Eigenschaften der Musiker. Mal mit drei Gitarren gleichzeitig, mal mit Klavier, Keyboard, Vibraphon oder dem Akkordeon reichern Slut ihre Lieder an. Doch bei all der Vielfalt entsteht nie der Eindruck einer Überfrachtung. Da sind Soundtüftler am Werk, die gelegentlich bombastische Gitarrenwände schätzen, aber auch ihren Hang zur butterweichen Ballade ausleben. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich Slut seit über elf Jahren bewegen: Die Aggressivität verzerrter Akkorde gepaart mit der hellen Sanftheit von Christian Neuburgers Gesang. Mal hört man Radiohead durchklingen, mal Placebo, mal fühlt man sich an den gedehnten Gesang von Oasis-Frontmann Liam Gallagher erinnert. Dieser Zitatenschatz, aus dem sich Slut bedienen, macht sie aber noch lange nicht zur Kopie. Slut, da steckt genug Eigenständigkeit drin.

Gut zwei Stunden lang lieferten Slut ihre mit Videosequenzen untermalte Show. Ein abwechslungsreiches und treibendes Gemisch, das nach einer Stunde schon die ersten nicht mehr auf ihren Stühlen hielt. Den meisten Jubel gab es bei Gassenhauern wie „All we need is silence“ oder ihrer Version von „Mackie Messer“. Doch fast so euphorisch wurden auch „Tomorrow will be mine“ und „Odds and ends“ vom aktuellen Album gefeiert. Das ist immer ein gutes Zeichen. Auch, dass Slut im Herbst wieder nach Potsdam kommen. Dieses Mal ganz ohne Exklusivität. Karten gibt es dann garantiert in den bekannten Vorverkaufsstellen. D. Becker

D. Becker

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