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Von Dirk Becker: Zu viel des Guten

Die vierte Venezianische Nacht in der Friedenskirche Potsdam Sanssocui

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In Rom wurde er verehrt, in Venedig jedoch lag ihm das Publikum zu Füßen. „Il Famoso Sassone“ – berühmter Sachse – wurde Georg Friedrich Händel nach seinen Auftritten in Rom bezeichnet. In Venedig, nach der Aufführung seiner Oper „Agrippina“ im Dezember 1709, kannte die Begeisterung jedoch kaum noch Grenzen. „Caro Sassone“, geliebter Sachse, soll das Publikum dem Komponisten in der Lagunenstadt zugerufen haben.

Mit „Il Caro Sassone – Händel in Venedig“ war auch die vierte Venezianische Nacht am Samstag in der Friedenskirche überschrieben. Der Erfolg des deutschen Komponisten mit seiner Oper „Agrippina“ vor 300 Jahren als Fixpunkt eines musikalischen Programms, das dem „Geliebten Sachsen“, 250 Jahre nach seinem Tod, huldigen wollte. Wer schon die vorherigen Venezianischen Nächte besucht hatte, wusste, dass die vom Potsdamer Musiker Wolfgang Hasleder zusammengestellten Programme für diese Abende äußert umfangreich sind. Doch an diesem Samstag war es einfach zu viel des Guten.

In vier musikalische Blöcke ist die Venezianische Nacht unterteilt. An diesem Samstag waren das sechs Sonaten, fünf Kantaten, drei Sinfonien, ein Concerto, ein Trio, eine Fuge, eine Motette und die Eröffnung aus Händels „Dixit Dominus“. Dazwischen Lesungen und Pausen im Kreuzgang, wo Kostproben der italienischen Küche und entsprechende Weine erstanden werden konnten. Zwar wird im Programmheft darauf hingewiesen, dass sämtliche Zeitangaben nur „Orientierungshilfen“ seien. Doch wenn man nach dem zweiten Block schon fast eine Stunde über den Planungen liegt, kann nicht mehr davon die Rede sein, dass „der tatsächliche Zeitablauf geringfügig abweichen kann“. Nun mag mancher eine solche Kritik vielleicht als kleinlich empfinden. Doch war es das Publikum, das hier mit seinen Füßen, oftmals auf leisen Sohlen zwar, seinen Unmut deutlich zeigte.

Es war die letzte Kantate im zweiten Block. „Dunque sarà pur vero“, die Doerthe-Maria Sandmann mit ihrem weichen und aufwühlenden Sopran zu einem der Höhepunkte an diesem Abend werden ließ. Zuvor Marcellos Concerto in d-moll für Oboe, dem Solist Marek Niedwieczal quirlig, farbenfrohe Akzente gab. Endlich schienen auch die Musiker des Ensembles „Kleine Cammer-Music“ um Violinist Hasleder zueinander zu finden, die nötige Ruhe für den entsprechenden Ausdruck zu entwickeln. Doch immer mehr Gäste verließen ihre Stühle im Innenhof der Friedenskirche und verließen die Venezianische Nacht nach nicht einmal der Hälfte des Programms.

Vielleicht waren es auch die kühlen Temperaturen, die einige zum vorzeitigen Aufbruch zwangen. Aber viel zu oft sah man skeptische Blicke auf die Armbanduhr. Auch hatte das Programm bis dahin kaum überzeugen können.

Der musikalische Auftakt in der Friedenskirche wirkte, bis auf Sabine Erdmanns Interpretationen von drei Scarlatti-Sonaten auf dem Cembalo, wie ein Pflichtprogramm, das es abzuspielen galt. Virtuosität, die auf Technik, weniger auf Ausdruck Wert legte. Unverständlich blieb auch der Auftritt von Carola Grahl vom Potsdamer Poetenpack, die einen Einführungstext zur historischen Agrippina las, der so auch im Programmheft hätte stehen können. So wie Carola Grahl las, musste man schnell den Eindruck gewinnen, als habe sie erst wenige Minuten vor ihrem Auftritt den Text in die Hände gedrückt bekommen. So blieb dieser Auftritt weniger Genuss denn Ärgernis. Und der Rest der Venezianischen Nacht, der noch so manches Glanzlicht zu bieten hatte, nur noch dem hartnäckigen Kern im Publikum vorbehalten.

Dirk Becker

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