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Kultur: Zu zeigen gibt es genug

Die Stadtverordneten wollen das neue Potsdam Museum im Brockeschen Haus – was dort zu sehen sein soll, liegt noch in den Depots

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Ein Schrank voller Kleider. Stoff an Stoff, dicht gepresst. Ein Fest für die Motten, denkt, wer hier nur abgelegte Sachen sieht. Doch jedes Kleid erzählt eine Geschichte, wie dieses Schwarze. Mitte der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren sie oft zu sehen, auf den Straßen von Potsdam. Gut betuchte Pensionäre seien nach Potsdam gekommen, um hier ihren Ruhestand zu verleben, sagt Edeltraud Volkmann-Block. Wenn sie vor ihren Frauen starben, gingen diese fortan nur noch in elegantem Schwarz. Es müssen damals viele solcher gut betuchten Pensionäre vor ihren Frauen in Potsdam gestorben sein. Von einer Stadt der Witwen spricht Edeltraud Volkmann-Block, verantwortlich für die Kleidersammlung im Potsdam Museum. Das „Potsdamer Schwarz“ soll weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt gewesen sein.

Es wurde viel diskutiert in den vergangenen Monaten über den zukünftigen Standort für das Potsdam Museum. Vor einer Woche haben sich die Stadtverordneten für das Brockesche Haus in der Yorckstraße ausgesprochen. Läuft alles nach Plan, könnte das Museum Anfang 2010 dort eröffnet werden. Am heutigen Donnerstag wird die Fraktion Die Linke im Kulturausschuss anmahnen, dass seit Jahren keine Konzeption für die fachlich inhaltliche Gestaltung des Potsdam Museums existiert. Es wurde viel diskutiert in den vergangenen Monaten über die Hülle für das Potsdam Museum. Doch was soll gezeigt werden, wenn das neue und weitaus größere Haus eröffnet wird?

Wem Zahlen genügen, dem reicht ein Besuch in der Benkertstraße, dem derzeitigen Standort des Museums. Auf Tafeln im Erdgeschoss steht, dass das Potsdam Museum 13000 Gemälde besitzt, über 450 Möbelstücke, 200 Gegenstände aus Zinn, mehrere Tausend Originale in Schrift, Druck und Fotografie und vieles mehr. Doch Zahlen sind eine allzu trockene Materie um sich ein Bild zu machen, was in dem neuen Haus des Potsdam Museums zu sehen sein soll.

Hannes Wittenberg, Leiter des Potsdam Museums, hat einem Besuch in den alten und neuen Depots zugestimmt. Doch soll nicht in der Zeitung stehen, wo diese sich befinden. „Wir haben keinen Schatz wie die Büste der Nofretete oder ähnliches“, sagt Wittenberg. Aber aus Sicherheitsgründen ist eine gewisse Zurückhaltung notwendig.

Egal welche Tür Hannes Wittenberg in den Räumen der Depots öffnet, jedes Mal aufs Neue beginnt eine Entdeckungsreise. Ob Gemäldesammlung, alte Bauernschränke oder Kinderspielzeug, auf den ersten Blick wirkt vieles wie ein bloßes Sammelsurium, zusammengestellt nach Lust und Laune. Doch wenn Wittenberg sich ein Stück herausgreift und davon erzählt und Zusammenhänge herstellt, wird Geschichte greifbar. Im Raum, in dem Kriegshelmen aus unterschiedlichsten Epochen und stapelweise Waffen lagern, drückt Hannes Wittenberg einem ein Steinschlossgewehr in die Hände. „Damit Sie mal wissen, wie schwer diese Dinger sind“, sagt er. Wenn das Museum in ein neues Haus zieht, soll dieses unmittelbare Erleben für ihn auch zum Ausstellungsalltag gehören. „Nicht alles soll hinter Vitrinen verschwinden.“ Vor allem für Kinder und Jugendliche soll diese Unmittelbarkeit einen Museumsbesuch zu einem einmaligen Erlebnis machen. Und wie sollen sie nun aussehen, die Ausstellungen im neuen Haus?

„Eine Chronologie wird es immer geben“, sagt Hannes Wittenberg und spricht damit die traditionelle Form der Präsentation von Geschichte in Stadtmuseen an. Doch soll es kein stures Durchwandern von den ersten Spuren aus der Steinzeit bis ins Heute geben. Die Dauerausstellung soll regelmäßig um Sonderausstellungen ergänzt werden, in die die Potsdamer mit einbezogen werden. Flexibel sein und auch auf aktuelle Anlässe regieren und Verbindungen mit der Stadtgeschichte herstellen, „Sammeln, Bewahren, Erforschen und Präsentieren sind die Hauptaufgaben eines Museums“, so Wittenberg. Die Ausstellungen können immer nur einen Ausschnitt des jeweiligen Bestandes zeigen. Und der wächst ständig. „Wie hat der Mensch von 30, 50 oder 100 Jahren gelebt. Das interessiert die Leute.“ Um solche Alltagsgeschichte präsentieren und erzählen zu können, gibt es genug Ausstellungsstücke im Bestand des Museums. Aber können alte Kommoden, Stühle, Tische und Teller wirklich noch begeistern und zu einem häufigen Museumsbesuch ermutigen?

Hannes Wittenberg ist sich absolut sicher. „Wir erleben das bei jeder Ausstellung, wenn Leute zu uns kommen, mit uns reden oder wir Sachen aus persönlichem Besitz geschenkt bekommen, die mit der Geschichte der Stadt zu tun haben.“ Die Potsdamer schätzen ihr Potsdam Museum, sagt Wittenberg. Denn man zeige hier nicht nur gelebte Geschichte sondern will Geschichte erleben lassen und dabei auch Atmosphäre schaffen. „Als Potsdam Museum sind wir vor allem ein Bürgermuseum.“ Wenn man es richtig präsentiert, reicht schon ein altes, schwarzes Kleid, um von den Menschen und der Geschichte einer Stadt zu erzählen.

Dirk Becker

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