Kultur: Zugewandt
„Globians“-Eröffnungsfilm mit strahlendem Dalai Lama
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Extrem eng und hoch sind die Straßen, die das kleine Auto des Filmemachers im Himalaya erklimmen und dabei immer wieder entgegenkommenden LKWs ausweichen muss: Rechts der Tausend-Meter-Abhang, links der schroffe Kanten des kahlen Berges. Autowracks mit „Tourist“-Schildern zeigen, dass das auch schon schief gegangen ist.
Filmemacher Rick Ray, dessen „Zehn Fragen für den Dalai Lama“ am Sonntagabend im Alten Rathaus als Eröffnungsfilm der „Globians“ gezeigt wurde, machte aus seiner Not eine Tugend: Weil er nicht gleich nach der Einreise nach Indien einen Interviewtermin mit dem Dalai Lama in dessen Exil Dharamsala bekam, fuhr er drei Monate lang durch Indien und das von China besetzte Gebiet von Tibet. Die gefährlichen Straßen bringen ihn und seinen Fahrer nach Lhasa, der „Götterstadt“, die von dem wunderschönen Kloster gekrönt wird. Doch seit der Besetzung durch China zu Beginn der 50er Jahre verkommt die Stadt, die tibetische Bevölkerung ist nur noch Marginalie für die chinesische Machtdemonstration in Polizeiuniform, Prostituiertenpeinlichkeit und Amüsement à la Las Vegas.
Keine der 85 Filmminuten schien zuviel: egal, ob es die Gesichter armer Menschen waren, die in die Kamera lachten, oder die Landschaftsimpressionen, von Beginn an zieht der Regisseur die Zuschauer in den Bann desjenigen, der das Zentrum dieser filmischen Suche ist und durch die Fragen, die uns alle beschäftigen, behutsam angesprochen wird: Der Dalai Lama macht in seiner heiteren, zugewandten Art den Film zu einer „Ausstrahlung des Mitgefühls“. Das ist die traditionelle Bezeichnung für den Führer des tibetischen Buddhismus, und selbst wenn man nicht an Reinkarnation glaubt, die überragende Leuchtkraft des Friedensnobelpreisträgers beseelt diese Dokumentation. Am Ende seiner Reise nämlich schaffte Rick Ray es dann, den großen Mann, der so kindisch über sich lachen kann, dass einem die Tränen kommen, zu befragen, und es ist unglaublich, wie der auf große Fragen antwortet.
Dass er mehr „Picknick, mehr Festival“ für die Menschheit möchte, und dabei wie ein Pennäler vor Lachen wackelt, ist nur eine der Seiten der merkwürdigen Erscheinung. Selbst seine Nächsten verstehen nicht immer den friedlichen, gewaltfreien Weg, den er predigt. Ein von den Chinesen jahrelang gefolterter Gefolgsmann meinte, man könne dieser Gewalt nur mit Gegengewalt begegnen. Das habe er dem Dalai Lama gesagt, aber inzwischen lacht auch er ohne Häme, nicht über das, was ihm widerfuhr, aber als Zeichen für das Leben. Nun ja, sagt er, Gewalt hilft nicht. Der Dalai Lama will selbst mit China diplomatisch verkehren, „Gewalt ist eine Schwäche, und die wird nicht überleben“. Dabei fragt der Zuschauer sich natürlich – vor allem angesichts der aktuell angesagten Gewalt im Libanon und Israel und des gepeinigten tibetischen Volkes – ob das denn wirklich ein Rezept sein könne: Aber wie auch Mahatma Gandhi bleibt der Dalai Lama bei seiner herzlichen, sich trotz ständigen Unheils weiter durchsetzenden Methode der lachenden Entspannung. Der Vergleich zwischen ihm und Mahatma Gandhi stimme nur bedingt, meint er: jener habe immer Rechte wie Redefreiheit genossen und vor allem in seinem eigenen Land leben können.
Gerne möchte man ihm in allem zustimmen, dem Mönch, der sich manchmal einer seltsam hohen, befremdenden Stimme bedient, aber zu sehr scheinen wir in unseren weltlichen Fallstricken gefangen. Auch dafür hat er ein Rezept: Selbstdisziplin, nennt er es. Ein markanter Film als Festivalauftakt, der zweimal gezeigt werden musste, weil viele Menschen diesen außergewöhnlichen Mann so sehen wollten: so herzlich lachend, dass alle (Denk-)Routinen weit entrückten.
Das Festival geht noch bis zum 20. August und zeigt Dokumentarfilme aus aller Welt – meist in englischer Sprache. Lore Bardens
Lore Bardens
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