Kultur: Zum Abschied
Weihnachtsoratorium mit Matthias Jacob
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Mitten im anhaltenden, stehend dargebrachten Abschlussjubel werden in der proppevollen Friedenskirche nach dem Konzert des Oratorienchores und der Kammerakademie Potsdam Transparente entrollt. Von den Sängerinnen und Sängern, denen plötzlich an Blusen und Jackenrevers kitschig bunte Lämpchen blinken. Eine Protestaktion in heiligen Hallen? Mitnichten. Vielmehr eine Geste der liebesbeweisenden Anerkennung für ihren Chef Matthias Jacob. „Vielen Dank! 32 Jahre Weihnachts-Oratorium“ steht da zu lesen. Was leider nichts anderes bedeutet, als dass am Samstagabend der Geehrte zum letzten Mal das Bachsche „Weihnachtsoratorium“ BWV 248 aufgeführt hat. Von 1981 an brachte er im steten Wechsel die Kantaten I-III und IV-VI zu Gehör. Immer im Bemühen, tiefer und intensiver in die Weihnachtsbotschaft einzudringen. Ein ständiger Prozess des Erkenntnisgewinnes, auch für das Publikum. Nun also das Finale. Mit IV bis VI.
Zu gottesdienstlichem Gebrauch erklangen sie zu Neujahr, am Sonntag nach Neujahr und zum Epiphaniasfest. Wegen ihrer Kontemplation und pastoralen Grundstimmung stehen sie bei konzertanter Darbietung noch immer ein wenig im Schatten der drei ersten, erzählspannenderen und arienträchtigeren Kantaten. Dagegen setzt Matthias Jacob auf eine Wiedergabe, die von innerer Leidenschaft durchpulst ist. Er lässt chorisch wie instrumental spannend phrasieren, setzt auf gestalterische Intensität, auf Lebendigkeit.
„Und da acht Tage um waren, dass das Kind beschnitten würde“, also zu Neujahr, „da ward sein Name genennet Jesu“, teilt uns der Evangelist per Rezitativ mit, nachdem der Eingangschor „Fallt mit Danken, fallt mit Loben“ verklungen ist. Ein festlich-freudiger Auftakt zur vierten Kantate, klangschön und durchhörbar aus sauber intonierenden Kehlen angestimmt. Federnd und beschwingt wird im Chor-Entree der fünften zur Ehre Gottes lobgesungen, während es zu Beginn der sechsten ziemlich martialisch und forciert im Fortissimo tönt. Unpathetisch, dennoch sehr detailreich klingen dagegen alle Choräle, die für die Ausbreitung philosophischer Betrachtungen zuständig sind. Martin Petzold trägt mit seinem weichen und lyrischen Tenor sehr arios die Evangelistenberichte vor, weiß in den koloraturgespickten und rasch genommenen Arien („Ich will nur dir zu Ehren leben“, „Nun mögt ihr stolzen Feinde schrecken“) mit höhensicherer Geläufigkeit sehr für sich einzunehmen.
Ob „Echo“-Arie oder in Rezitativ und Arie „Du Falscher, suche nur den Herrn zu fällen“ – stets versteht es Sopranistin Astrid Kessler mit ihrer silbrig glänzenden, leuchtend erblühenden Stimme die Herzen der Zuhörer zu erreichen. Und auch in den Duetten mit dem Bass, der sich als ein höhenleichter, lebendig gestaltender Bariton in Gestalt von Mario Hoff entpuppt, weiß die Sängerin die Seele zu bewegen. Damit hat es Susanne Krumbiegel erheblich schwerer, deren kraftvoll tönendem Mezzosopran es weitgehend an Geschmeidigkeit und Wärme gebricht. Dennoch: Es ist sehr reizvoll zu erleben, wie verschiedene Interpretationsansätze werkdienlich zueinanderfinden können. Und instrumental liefern die Musiker der Kammerakademie vibratolose, spannend artikulierte Klänge voller Brillanz und Innigkeit. Festlicher Trompetenglanz, straffe Paukenwirbeleien und die solistische Begleitung von Oboe, Fagott und Violine beim Ariengesang sind neben der präzisen Zeichengebung des Dirigenten weitere Pluspunkte einer Aufführung, die man lange im Gedächtnis behalten wird. Peter Buske
Peter Buske
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