Von Dirk Becker: Zum Abschied ein Tanz
Die langjährige Offizze-Tanzlehrerin Paula E. Paul verabschiedet sich mit „Sauer macht stutzig“ von ihren Schülern
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Das Bild macht stutzig. Eine typische Fotomontage, das ist der erste Gedanke. Doch Paula E. Paul widerspricht. Das Bild mit den überdimensionierten Zitronen ist echt. Im vergangenen Jahr war sie in Venedig und hat dort das Wandgemälde mit den riesengroßen Zitronen entdeckt. „Ich stand vor diesem Bild und blickte zu den riesigen Früchten über meinem Kopf“, sagt Paula E. Paul. Und je länger sie vor dem Bild stand, umso deutlicher erkannte sie darin ihre eigene Situation. Jetzt schmückt das Foto mit ihr vor dem Zitronenbild die Handzettel für Abschiedstanzspektakel „Sauer macht stutzig“, das heute, morgen und am Sonntag im Kesselhaus auf dem Gelände der Schiffbauergasse zu sehen ist.
„Diese Veranstaltung ist natürlich nicht mein endgültiger Abschied vom Tanz.“ Nach zehn Jahren als Tanzlehrerin für Kinder im Offizze, dem Studio für Tanz und Bewegung, will Paula E. Paul unter diesem Teil ihres freiberuflichen Lebens einen Schlussstrich ziehen. „Für mich stand jetzt einfach eine Entscheidung an“, sagt sie. Vier Tage in der Woche hat sie bisher Kurse im Offizze gegeben und daneben eigene Projekte realisiert. Ihr Einkommen blieb dabei immer in dieser heiklen Balance, wie sie viele freie Künstler erleben müssen. „Zum Sterben zu viel, zum Leben aber zu wenig“, sagt Paula E. Paul. Die Entscheidung sei zugunsten der eigenen Projekte gefallen. „Ich bin einfach noch nicht an dem Punkt, dass ich nur noch Unterricht geben will.“
Im Frühjahr hat sie ihren Schülern aus den drei Kursen die Entscheidung mitgeteilt und versprochen, mit ihnen gemeinsam ein Abschiedsstück einzustudieren. Das Zitronenbild war ihr dabei ein Leitmotiv. „Wie auf dem überdimensionierten Bild sind mir meine Schüler auch über den Kopf gewachsen. Und wenn ich manchmal zurückschaue, was in den Jahren alles passiert ist, wundere ich mich, bin gelegentlich auch stutzig.“ So entstand der Titel „Sauer macht stutzig“ für das gut einstündige Tanzstück, das sich aus mehreren Fragmenten zusammensetzt. „Im Grunde ist es ein tänzerischer Rückblick auf die zehn Jahre Unterricht.“ In Workshops haben die Kinder gemeinsam mit Paula E. Paul Ideen entwickelt. „Das war immer der wichtigste Aspekt meiner Arbeit als Tanzlehrerin, dass meine Schüler sich einbringen und so selbst entfalten können.“ „Sauer macht stutzig“ zitiert einige der einstudierten Stücke, die Paula E. Paul in den vergangenen Jahren zusammen mit den Kindern auf die Bühne gebracht hat. So erinnern sich auch ihre Schüler, die älteste ist 14, die jüngste sieben Jahre alt. „Doch das Wichtigste ist die gemeinsame Arbeit“, sagt Paula E. Paul.
In den Kursen wurde noch nach dem Alter getrennt unterrichtet. Ein System, das Paula E. Paul nicht behagt. In den Workshops kommen alle zusammen und inspirieren sich gegenseitig. Das hat die gebürtige Leipzigerin immer stärker interessiert und fasziniert.
Mit sieben Jahren wusste Paula E. Paul schon, dass sie Tänzerin werden würde. Mit zehn begann sie den klassischen Ballettunterricht an Pallucca Schule in Dresden, studierte in Leipzig Bühnentanz. Ihre Berufung hat sie erst im zeitgenössischen Tanz gefunden. „Der Ballettunterricht war sehr hart und streng. Ich war oft krank und verletzt.“ Als sie zum ersten Mal „neuen künstlerischen Tanz“, wie er in der DDR genannt wurde, probierte, spürte Paula E. Paul, dass sie wirklich tanzte, etwas ausdrücken konnte.
Für die Zukunft hat Paula E. Paul, die vor 16 Jahren aus familiären Gründen nach Potsdam kam, schon zahlreiche Pläne. Darunter Filmprojekte, eine zeitgenössische Oper und für das kommenden Jahr einen persönlichen tänzerischen Rückblick. „20 Jahre Mauerfall, ohne dieses geschichtliche Ereignis wäre meine Tanzkarriere ganz anders verlaufen.“
„Sauer macht stutzig“ ist heute, morgen und am Sonntag, jeweils um 19 Uhr, im Kesselhaus, Schiffbauergasse, zu sehen. Der Eintritt kostet 5, ermäßigt 3 Euro.
Dirk Becker
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