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Kultur: Zum Tanz eine Erdbeermilch

„Les Witches“ im Palmensaal: Unterhaltsame Mischung aus Tänzen, Flötenidyllen und Improvisationen

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Plötzlich stehen da drei Vogelscheuchen im Palmensaal und treiben die Zuhörer mit rauhen Rufen „Go out, go out“ nach draußen. Oder sind die Burschen in weiten Nachthemden, Strohhüten und derben Schuhen Hirten? Was als gediegenes Konzert des Ensembles „Les Witches“ mit englischer und irischer Tanzmusik begonnen hat, bekommt einen leicht surrealistischen Touch. Die Zuhörer nehmens gelassen, trinken die dargebotene Erdbeermilch und genießen das weitere Konzert im Freien. Bis die seltsamen Kerle auftauchen und ihre „Schafherde“ wieder zurück in den Stall, nein, Saal scheuchen.

Ein Hauch von britischem Nonsense zieht durch den Abend, sehr dezent, so dass das Publikum sich davon nicht aus der Ruhe bringen lässt. Lieber möchte es der Musik zuhören und am Ende des zweieinhalbstündigen Konzerts begeistert applaudieren. Dabei spielen die französischen „Hexen“ im Grunde das, was in jedem besseren Pub zu hören ist, wenn auch auf einem sehr hohen Niveau. Mit ihrer unterhaltsamen Mischung aus altenglischen, irischen und schottischen Tanzmelodien, melancholischen Flötenidyllen und Improvisationen erobern die Musiker ihr Publikum langsam aber sicher. Der „englische Tanzmeister“ heißt die Sammlung von Tanzstücken, auf denen ihr Programm basiert. Zu den Jigs, Ballads, Grounds und Masques gehört von altersher auch allerlei närrisches Spiel. Das hat die Dreiergruppe der Natural Theatre Company aus Bath übernommen, und sie macht es gut, wenn auch das Publikum wenig Bereitschaft zum Possenreißen zeigt.

Die französischen Musiker erweisen sich als Vollblutmusiker, deren eigene Begeisterung und Hingabe ansteckend wirkt. Virtuos hantiert die Flötistin Claire Michon mit Blockflöten und Traversflöte, aus denen sie arkadische Klänge zaubert. Man meint, den blinden holländischen Glöckner und Flötenvirtuosen Jakob van Eyck zu sehen, wie er im Kirchgarten improvisiert. Sein „Flöten-Lust-Hof“, aus dem einige Stücke klangen, ist bis heute eine Schatztruhe für Flötisten. Einzeln und im musikalischen Gespräch mit den anderen entwickeln sich mitreißende Klänge, die besonders im zweiten Teil sehr lebendig den steten Atem ihrer improvisierten Passagen verströmen. Dezenter Anführer ist der Cembalist Freddy Eichelberger, der auch die Metallsaiten der Cister, eine alte Gitarre, schlägt. Er spielt auswendig und ist so versunken und wach zugleich, wie es nur im reinen Spiel geschieht. An Barocklaute und kleiner Gitarre folgt Miguel Henry mit wohlkontrolliertem, einfühlsamen Saitenspiel. Den ruhenden Mittelpunkt bildet die Viola da Gamba, der Sylvie Moquet nasale und hohe Töne sowie federnde Rythmen entlockt. Das Pendant zur Flöte bildet die Violine von Odile Eduoard, ebenfalls eine wie von selbst spielende Musikerin, die sich nicht nur perfekt ins Geschehen integriert, sondern auch solistisch und im Duett sensible und zugleich aufreizende Akzente setzt. Doch am liebsten entfesseln die Musiker von „Les Witches“ wohl gemeinsam ihren brodelnden Hexenkessel aus alteuropäischen Tänzen Melodien.

Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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