Kultur: Zur Liebe zurück- gefunden Peter Wawercinek las aus „Rabenliebe“
Es sollte der Abend der langen Vorreden werden. Das Brandenburgische Literaturbüro und Buchhändler Carsten Wist hatten den diesjährigen Bachmannpreisträger Peter Wawercinek nach Potsdam eingeladen, um aus seinem gerade im Galiani-Verlag erschienenen Buch „Rabenliebe“ zu lesen.
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Es sollte der Abend der langen Vorreden werden. Das Brandenburgische Literaturbüro und Buchhändler Carsten Wist hatten den diesjährigen Bachmannpreisträger Peter Wawercinek nach Potsdam eingeladen, um aus seinem gerade im Galiani-Verlag erschienenen Buch „Rabenliebe“ zu lesen.
Die Veranstaltung, die ursprünglich in der Waschhaus Arena stattfinden sollte, wurde kurzerhand und mithilfe der unkomplizierten Organisation von befreundeter Waschhausmitarbeiterin Katja Dietrich ins T-Werk verlegt.
Hier auf der kleinen Bühne und in kleinem Kreis von etwa 40 Gästen ließ Carsten Wist erst einmal ausführlich die gemeinsamen Zeiten mit Autor Peter Wawercinek wiederaufleben. Der gebürtige Rostocker war in den 80er Jahren bereits einmal ein Star am Literatur- und Kunsthimmel und seine Exzesse machten von sich reden. „ScHappy“, wie der Künstler sich damals nannte, war vor allem ein Performer, der gern und oft dem Alkohol zusprach. Blumig spricht Carsten Wist von durchgerockten Nächten, die ScHappy, wie er ihn auch heute Abend nennen darf, schon mal auf den Tischen tanzen lassen. Auch von seiner Sorge über die regelmäßigen Abstürze und die künstlerische Schaffenskrise des Freundes erzählt der Buchhändler und fällt schlussendlich beinahe auf die Knie vor diesem Autor, der nach zehn Jahren ein Comeback hinlegt, das rasanter nicht sein könnte.
Vierhundert Seiten voller Beschädigungen und Verletzungen, die von der Mutterfindung erzählen, die den Autor mit zwei Jahren in der DDR zurückgelassen und selbst in den Westen Deutschlands geflohen ist.
Vierhundert Seiten, auf denen der Autor die eigenen Wunden herzeigt und vielleicht endlich ein Kapitel seines Lebens abschließt – „...uffhören, wegschneiden, schönmachen“, beschreibt er selbst den Prozess der letzten Monate.
Vierhundert Seiten schließlich, die ihm den Bachmannpreis einbringen und einen Platz auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
Er selbst hat nach der ausführlichen Einleitung von Carsten Wist auch noch etwas zu erzählen, über die Wirkung des Buches bei Freunden beispielsweise, die ergriffen waren und dann jubelten über den Autor. Oder über Maria, die Großmutter während der Adoptionszeit, die ihn die Liebe zum Kochen lehrt, weil er so alle Frauen der Welt bekommen könne.
Als er endlich liest, hängen alle an seinen Lippen, mehr als eine Stunde lang.
Der Autor steckt mitten in seinen Erinnerungen fest und lässt sie lebendig werden. Er träumt und kämpft und klagt an, so vertieft, dass er kaum ein Ende finden kann. Er bringt sein Publikum zum Lachen und schnürt ihm gleichzeitig so manches Mal die Kehle zu.
Man spürt die Verletzungen und die Hilflosigkeit förmlich und ist froh, ihn da vorn zu sehen, so lebenslustig und augenscheinlich glücklich mit Lebensgefährtin Petra, die ihn begleitet und die er immer wieder zum Zwiegespräch fordert.
Mit „Rabenliebe“ hat er eine Tür zugemacht und zurückgefunden zur Liebe, die er sogar in sein Buch und auf dessen Cover lässt. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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