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Kultur: Zurück zur Natur?

Freilicht-Performance am Stadtkanal

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Auf dem Foto ist eine junge, fast nackte Frau in embryonaler Haltung zu sehen. Sie liegt mit geschlossenen Augen auf gemauertem Grund. Eine helle Schnur führt von ihrer Mitte in das flache Wasser vor ihr. Dieses Foto befindet sich auf einem Plakat, das seit ein paar Tagen am Geländer des Potsdamer Stadtkanals hängt und Lissy Pernthalers Freilichtperformance „Körperquelle-Quellkörper“ für dieses heiße Juliwochenende ankündigt.

Dessen Wasser ist grün und trüb und die Reste des letzten Kanalsprints und eine kleine Mandarinente treiben in ihm langsam dahin. Zwei Dutzend „Zaungäste“ warten am Samstagabend auf das, was gleich kommen soll. Nachdem Punkt sieben die letzten Töne vom nahegelegenen Glockenspiel verklungen sind, passiert erst mal nichts.

Doch dann tauchen aus der Wilhelm-Staab-Straße sechs Typen auf, die irgendwie hektisch durch die Gegend wuseln: ein Kerl mit riesiger Halskrause, wie sie Hunde gegen Flöhe tragen, eine seltsame „Schwanenballerina“ und eine „Dame“, die verzweifelt mit einem Kinderschwimmreifen kämpft. Unter irrem Lachen, Jammern und Stöhnen und einigen anderen Verrenkungen erklettern kurz darauf sämtliche Protagonisten beidseitig die Geländer des Kanals.

Plötzlich erscheint eine „Jungfrau“ mit blauer Schleppe und schreitet unter Schumann-Klängen gemächlich in den Kanal. Das scheint das Signal für die anderen zu sein. Sie beginnen sich zu entblößen und neben hautfarbenen Bikinis und Badehosen werden merkwürdige Nabelaufkleber mit metallenen Anschlussstücken sichtbar. Vorsichtig begeben sich alle ins verdreckte Nass und nur der „verrückte Marschierer“ findet auch hier keinen anderen Rhythmus.

Gleich darauf beginnt meistenteils chorisches Sprechen mit Versatztexten, die die Überlastung des modernen Menschen und die Sehnsucht nach dem Glück der Kindheit erhellen sollen. Erste zaghafte Versuche, im Urelement Wasser wieder anzukommen, werden durch ziemlich wilde Zuckungen, als zwei Darsteller an „elektrische“ Kabel geraten, nochmals unterbrochen. Doch dann erklingt Eichendorffs „Mondnacht“. Und wie von Zauberhand finden alle ihren Anschluss an die neuen „Nabelschnüre“ und rücklings im Kanal treibend zur erhofften Entspannung.

Nach der Performance verlassen die sechs „zur Mutter Erde Zurückgekehrten“ das gemauerte Kanalbecken und freundlicher Beifall von der inzwischen auf das Vierfache angewachsenen Zuschauerschar empfängt sie. Doch der geneigte Betrachter fragt sich einigermaßen ratlos, was das gezeigte Spektaktel mit seiner ziemlich verquollenen Aussage zu bedeuten hat. Und warum es, wie im Programmzettel angekündigt, ein „romantisches“ Zurück zur Natur bebildert, dann ausgerechnet im künstlich angelegten Potsdamer Stadtkanal stattfinden muss?

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