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Kultur: Zuviel Klamauk Nadi spielt Stück nach Daniil Charms im T-Werk

Das Wesen des Absurden ist zum Glück, dass es beim besten Willen nichts zu verstehen gibt. Das gilt für beinahe alles, was vom unglücklichen russischen Schriftsteller Daniil Charms (1905 – 1942) übrig geblieben ist.

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Das Wesen des Absurden ist zum Glück, dass es beim besten Willen nichts zu verstehen gibt. Das gilt für beinahe alles, was vom unglücklichen russischen Schriftsteller Daniil Charms (1905 – 1942) übrig geblieben ist. Ein Mann begegnet einem anderen, der Weißbrot in der Hand hält. „Das ist eigenltich alles“, heißt es bei Charms. Der rote Faden ist mehrfach durchschnitten. Besser vielleicht, er war nie rot.

Das, was keinen Sinn macht und sich Struktur und Verständnis widersetzt, zieht gerade dadurch immer wieder Theaterleute wie die freie Potsdamer Gruppe Nadi an. Sie hat basierend auf Charms-Texten das Drei-Mann-Stück „Himmelkumov und andere Personalitäten“ im T-Werk zur Aufführung gebracht. Regisseur Kenneth P. George benötigte einen roten Faden, an dem die fast zwei Stunden über die Bühne gezogen werden konnten. Seine Entscheidung war, den bewusst instabilen Bauplan der literarischen Grundlage auf die Biographie des Autors zu transformieren. Eine ziemlich gefährliche Angelegenheit, Texte und Autorenleben verschmelzen zu lassen. Nadi erzählt also in locker verknüpften Szenen Geburt, Schreiben, Hunger, Verfolgung und Tod des Schriftstellers in „absurder“ Form. Die wiederum findet das Ensemble am besten in clownesker Form ausgedrückt. Da schieben sich drei Herren mit Lederschuhen und Unterhosen an einem waagrecht gehaltenen Seil auf die Bühne. Andreas Erfurth, Steffen Findeisen und Thomas Weppel flitzen sogleich um einen großen Schrank, und erschrecken sich erst einmal gegenseitig für eine Weile. Für die Kinder im Saal eine circensische Unterhaltung, die herzhaft belacht wird.

Eine Puppe, bestehend aus einem Kleidersack mit einem Luftballon als Kopf dient als Schwangere, die von einem Arzt und einer Krankenschwester untersucht werden. Sie gebiert unter allerlei Verrenkungen der Schauspieler später graue Anzughosen und weiße Hemden, die man dann überstreift.

So entwickeln sich klare Bilder, die eine märchenhafte Poesie entfalten. Der Schrank als Sinnbild des eingeschlossenen, in Fächern geordneten Lebens klappt seine Türen auf und zu. Die stupende Wiederholung, einer von Charms literarischen Tricks, lässt sich so auch gut auf die Bühne bringen. Die Clowns sind in ständiger artistischer Bewegung. Ihr Spieleinsatz erfordert Kraft und präzise Choreographie, die von der Musik (Hans Flake, Anna M. Buchenauk) durchgehend wie im Stummfilm untermalt wird. Viel zu selten löst sich jedoch ein Text aus dem russisch klingenden Gebrabbel der Figuren. Dann hört man Charms Worte, die spröde, oft kurz und in der Sinnlosigkeit, in der die Realität dargestellt wird, so scharf wie ein Messer sein können.

Das Maskenhafte der Clownsfiguren und ihre kindliche Vergnügtheit dagegen betonen zwar die Schönheit, die im Absurden stets steckt. Und Nadis bewegte Bilder sind sehenswert schön. Ein Koffer wird zur Schreibmaschine, Papierfetzen zu Schneeflocken. Die Geckengesichter verdecken jedoch die existentielle Ausweglosigkeit, die sich in den Texten findet. Ein Clown spielt immer nur. Die Traurigkeit der menschlichen Isolation, die aus Charms kurzen Paradoxien spricht, lässt sich jedoch nicht einfach ablegen wie eine rote Nase.

Nadis „Himmelkumov“ kann deswegen nicht vollständig durch die Wolken brechen, auch wenn das Stück insgesamt stimmig inszeniert ist. Zuviel Klamauk und Pantomime, zuwenig Wortvertrauen. Das Alberne ist also noch nicht ganz das Absurde. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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