zum Hauptinhalt

Kultur: Zwei Gesichter Preußens

Eine Buchvorstellung im Kutschstall

Stand:

Wen wundert’s noch, wenn dieser Tage sogar die Krankenakten des Alten Fritz veröffentlicht werden. Im „Friedrichjahr“ ist vieles möglich. Doch scheint auch die Zahl der Publikationen, die der Geschichte Preußens gewidmet sind, längst unüberschaubar. Kaum ein anderes Land in der europäischen Geschichte verbindet so stark Widersprüchliches in sich, ist Sinnbild für Militarismus und Obrigkeitsstaat einerseits und Toleranz, Liberalismus und Aufklärung andererseits, sodass sich gleichermaßen ablehnende als auch zustimmende Haltungen zum Mythos Preußen einnehmen lassen. Sich dieser janusköpfigen einstigen Großmacht anzunähern und dabei die Vielfältigkeit Preußens und seiner Geschichte wissenschaftlich kompetent und zugleich für jeden Laien verständlich zu komprimieren, war das Ziel von Michael Epkenhans, Gerhard Groß und Burkhard Köster in ihrem Sachbildband „Preußen. Aufstieg und Fall einer Großmacht“, der jüngst im Stuttgarter Theiss Verlag erschienen ist. Am Dienstagabend stellten die drei Historiker, die alle im Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam tätig sind, ihr Buch im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im Kutschstall vor.

Dabei vertrauten sie auf die Stärke ihres großformatigen und reich illustrierten Werkes, der Verbindung von historischen Entwicklungen und Ereignissen mit gesellschaftlich kulturellen Lebenswelten, die hier wie dort durch eine Vielzahl kurzer biographischer Porträts ausgewählter prägender Persönlichkeiten angereichert werden. Eine von ihnen ist der Hohenzoller und Hochmeister des Deutschen Ordens, Albrecht von Brandenburg-Ansbach, der 1525 mit der Gründung des weltlichen Herzogtums Preußens, nach Ansicht der Autoren, erst den eigentlichen Aufstieg zur Macht einleitete. Als große Leistung Friedrich Wilhelms, des Großen Kurfürsten, wird dessen Einwanderungspolitik gewürdigt, jedoch ebenso dessen außenpolitische Schwäche zur Sprache gebracht. Ähnlich differenziert beurteilt werden aber auch der „Soldatenkönig“, Friedrich Wilhelm I. sowie sein Nachfolger, Friedrich II. oder Otto von Bismarck. Stets behalten die Autoren die zwei Gesichter Preußens im Blick, heben sie auf ihrer großen, insgesamt vom 12. bis ins 20. Jahrhundert reichenden Nachzeichnung hervor, dass neben Fortschrittsdenken und Toleranz auch immer Gewalt und unnachgiebige Härte gestanden haben. So konnte sich auch Friedrich der Große nicht nur als Freund der Künste, sondern als aufgeklärten Monarchen betrachten, ohne die Machtpolitik des Absolutismus samt Kriegstreiberei je in Frage zu stellen. Ambivalenz als Tradition und Charakteristikum. Doch lenkt das Historikertrio die Aufmerksamkeit rasch auch auf solche Köpfe, die in ihren Lebenswelten den aufgeschlossenen und modernen Geist Preußens tatsächlich repräsentierten wie etwa Bettina von Arnim, Immanuel Kant, Georg Friedrich Wilhelm Hegel oder auch Marion Gräfin Dönhoff.

So erfreulich die sprechenden zeitgenössischen Quellen sind, mit denen die Autoren ihren Vortrag zusätzlich beleben, so verhältnismäßig spärlich und bisweilen überhaupt nicht auf den Text abgestimmt sind die gezeigten Bilder. Dennoch hat diese Buchvorstellung keinen Zweifel daran gelassen, dass ein Überblick über die preußische Geschichte genau, klar verständlich und äußerst anschaulich vermittelt werden kann und dass die Beschäftigung mit diesem Sachbildband einen besonderen Genuss verspricht. Daniel Flügel

Michael Epkenhans, Gerhard Groß, Burkhard Köster: Preußen. Aufstieg und Fall einer Großmacht, 39,95 Euro

Daniel Flügel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })