
© Andreas Klaer
Von Dirk Becker: Zwei im Streifenkleid
Im Klein Glienicker Kammermusiksaal treffen morgen zwei seltene Instrumente aufeinander
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Es ist nur ein Moment. Die typische Situation während einer Probe, wo es darum geht, wie eine bestimmte Stelle gespielt werden soll. Die Potsdamer Cembalistin Sabine Erdmann schaut in die Noten und singt eine kurze Melodie, vielleicht zwei Takte lang. Heidi Gröger hört ihr zu und nickt. Dann nimmt sie ihren Bogen und spielt diese Melodie auf der Gambe, während Sabine Erdmann die Begleitung auf dem Cembalo gibt. Und für diesen kurzen Moment, diese zwei Takte nur, öffnet sich ein Raum, wie es nur die Musik vermag. Die Zeit verliert ihren Rhythmus, es wird ein besonderer Atem spürbar und man ist froh, dass Sabine Erdmann und Heidi Gröger dieses Bruchstück Musik gleich noch einmal spielen.
Am morgigen Donnerstag sind Heidi Gröger und Sabine Erdmann zusammen mit der Potsdamer Gambistin Christiane Gerhardt im Klein Glienicker Kammermusiksaal des Instrumentenbauers Tilman Muthesius zu erleben. „En vogue! Königliche Gamben im Duett“ ist das Konzert überschrieben, das in zweierlei Hinsicht eine Besonderheit werden wird. Mit dem deutsch-holländischen Gambisten Johannes Schenk steht ein Komponist im Mittelpunkt, dessen Geburtstag sich zum 350. Mal jährt und der selbst in Musikerkreisen, wo man ihn eigentlich kennen sollte, oft noch ein Unbekannter ist. Spielen werden Heidi Gröger und Christiane Gerhardt auf zwei außergewöhnlichen Instrumenten. Kopien nach einem originalen, reich verzierten Instrument des Hamburger Geigenbauers Joachim Tielke, erbaut um 1700, das wegen der unterschiedlichen Holzarten am Boden und den Zargen, den Seiten dieses Streichinstruments, auch Streifengambe genannt wird. Diesem Instrument verdankt die in Bayern geborene Heidi Gröger, die in Trossingen und Den Haag studiert hat, die Entdeckung und wachsende Begeisterung für die deutsche Gambenliteratur.
Es sind vor allem französische Komponisten wie Monsieur de Sainte-Colombe, Marin Marais – einem breiten Publikum bekannt geworden durch den Film „Die siebente Saite“ – oder Antoine Forqueray, daneben die Engländer Tobias Hume und Henry Purcell, die heute die Programme von Gambenkonzerten dominieren. Und natürlich die drei Sonaten vom Großmeister Bach. Heidi Gröger hat diese Musik jahrelang begleitet. Dann, bei den Proben für ein Konzert im Juli 2007 in der Französischen Kirche in Potsdam mit Triosonaten von Dietrich Buxtehude und Johann Philipp Krieger, drückte ihr der Instrumentenbauer Tilman Muthesius besagte Kopie der Streifengambe in die Hand mit den Worten: „Probier doch mal die“.
Es war nicht Liebe auf den ersten Ton, erzählt Heidi Gröger am gestrigen Dienstag während einer Probenpause im Kammermusiksaal. Doch sie spürte, dass dieses Instrument ihr mehr geben konnte, als es andere bisher vermocht hatten. Es brauchte ein paar Tage des Spielens, der Ringens und des Entdeckens. Und immer wieder die Frage, ob sie mit diesem Instrument überhaupt umgehen können. Und dann ging es ganz schnell. „Da ist die Liebe ausgebrochen“, sagt Heidi Gröger.
Seit Januar spielt Heidi Gröger auf einer eigenen Kopie einer Streifengambe, einer Dauerleihgabe von Tilman Muthesius. „Und seit Januar habe ich auf diesem Instrument so viel gespielt, wie nur möglich ist“, sagt Heidi Gröger. Denn das zeichne ein sehr gutes Instrument aus: Dass ein Musiker durch das Spielen auf einem solchen Instrument noch so viel lernen kann. Sie spielt auf ihrer sechsaitigen Streifengambe mittlerweile alle Konzert, die ohne die siebente Saite auskommen. Doch am liebsten spielt sie deutsche Gambenliteratur wie die von Johannes Schenck. Doch wann immer sie mit anderen Musikern, auch Gambisten, zusammenarbeitet und vorschlägt, doch mal gemeinsam Schenck zu spielen, höre sie immer wieder die Frage, wer denn dieser Schenck überhaupt sei. Deutsche Gambenmusik friste leider noch eine Art Schattendasein.
„Schwer zu spielen und oft auch schwer zu hören“, antwortet Sabine Erdmann auf die Frage, warum das so sei. Und Christiane Gerhardt und Heidi Gröger ergänzen, dass es gelegentlich lange dauert, bis man als Musiker solche Kompositionen richtig versteht. Ein Prozess, der auch den Musiker vorantreibt. Wenn dann das Verstehen kommt, entfalte diese deutsche Gambenmusik einen kaum zu übertreffenden Reiz. „Wird Schenck wirklich gut gespielt, ist da nicht mehr zu unterscheiden, ob hier nur zwei Gamben oder vielleicht ein ganzes Ensemble spielt“, sagt Christiane Gerhardt.
Heidi Gröger hat seit ihrer Entdeckung der Streifengambe erkannt, dass diese Musik aus der Feder deutscher Komponisten genau zu ihr passe wie keine andere. „Das als Musiker festzustellen ist einfach wunderbar“, sagt Heidi Gröger. Und wer schon einige ihrer Konzerte in Potsdam erlebt hat, weiß, dass diese Musikerin es auf faszinierende Weise versteht, dieses „wunderbar“ auch durch ihr Spiel dem Zuhörer erfahrbar zu machen. Und es würde kaum überraschen, wenn Heidi Gröger zusammen mit Christiane Gerhardt und Sabine Erdmann im morgigen Konzert, wo neben Schenck auch Corelli und Hacquart auf dem Programm stehen, viele Male diesen einen Raum öffnen wird, wie er nur durch Musik geöffnet werden kann.
Das Konzert „En vogue! Königliche Gamben im Duett“ am morgigen Donnerstag, 20 Uhr, im Kammermusiksaal Havelschlösschen, Waldmüllerstr. 3. Der Eintritt kostet 25, ermäßigt 15 Euro. Reservierungen unter Tel.: (0331) 74 814 96
Dirk Becker
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