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Wichtig war, wie ihn die anderen sahen. Reichsminister Joseph Goebbels.

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Kultur: Zwischen Anerkennungssucht und bedingungsloser Unterwerfung

Am kommenden Sonntag stellt Peter Longerich seine Biografie über Hitlers Chefpropagandisten Joseph Goebbels in Potsdam vor

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Inszenierung bis zum Schluss. Selbst über sein Ende wollte er die Kontrolle behalten, es nach eigenen Vorstellungen gestalten. Ganz im Sinne seines großen Idols Adolf Hitler.

Als Joseph Goebbels am Abend des 1. Mai 1945 Hitlers Adjutanten, Günther Schwägermann, zu sich rief, um ihn darüber zu informieren, dass er sich zusammen mit seiner Frau umbringen würde und Schwägermann darum bat, „seinen Tod auf jeden Fall durch einen weiteren Schuss zu garantieren“, war Goebbels der einzige aus dem engsten NS-Führungskreis, der es Hitler gleich tat und seinem Leben ein gewaltsames Ende setzte. Und nicht nur seinem und dem seiner Frau Magda. Auch die sechs gemeinsamen Kinder mussten sterben.

„Dieser letzte Schritt war bereits eine für die Nachwelt arrangierte Inszenierung“, schreibt Peter Longerich in seiner umfangreichen Biografie über Hitlers Chefpropagandisten, die er am kommenden Sonntag in der Villa Quandt vorstellen wird. Eine Selbstinszenierung der Person Goebbels, die ihn schon zu Lebzeiten als die „beherrschende Figur im Bereich der nationalsozialistischen Medien- und Kulturpolitik“ zeigen sollte, in dessen Hände weitreichende Kompetenzen lagen und der der wichtigste Mann hinter Hitler war. Ein Einpeitscher, der sich ganz seinem „Volk und Führer“ unterordnete und nach dem Grundsatz handelte: „Treue bis in den Tod“. Dieses Selbstbild vom bedingungslosen und gleichzeitig so einflussreichen „Soldaten“ prägte auch lange nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das Bild von Joseph Goebbels in der öffentlichen Wahrnehmung. Peter Longerich, in Krefeld geboren und in London lehrend, zeigt in seinem Buch, wie sehr dieses Bild doch vom Schein geprägt war.

Die umfangreichen Tagebücher des Propagandaministers – sie allein umfassen 32 Bände – hat Longerich als Quelle für die über 900 Seiten seiner Goebbels-Biografie (Siedler Verlag, München 2010, 39,99 Euro) genutzt. Für ihn ist Goebbels so „der wichtigste interne Chronist des Nationalsozialismus und seines Führers“, für ihn gibt es „keine andere Quelle, die vergleichbare Einblicke in das Innere des nationalsozialistischen Machtgefüges erlaubt“. Und das, obwohl dieser seine Tagebücher unter dem Aspekt einer späteren Veröffentlichung geschrieben hat, sie also Mittel zum Zweck seiner Selbstinszenierung waren. Doch für Longerich ist das weniger Problem, sondern Herausforderung. Denn in der doppelten Lesart dieser einmaligen Quellen wird nicht nur ein Einblick in das innere Machtgefüge des NS-Staates gegeben, sondern auch die Figur Goebbels, die Psychologie dieses Täters kenntlich. Was Longerich dann zeigt, ist reichlich ernüchternd.

Goebbels’ vorrangige Eigenschaften waren „Selbstüberschätzung, rastlose Arbeitswut, bedingungslose Unterwerfung unter ein Idol, Geringschätzung anderer menschlicher Beziehungen und die Bereitschaft, sich im Interesse der eigenen Sache über allgemein anerkannte moralische Normen hinwegzusetzen“. Ein Mensch, der regelrecht süchtig war nach Anerkennung durch seine Mitmenschen und gleichzeitig abhängig war vom Lob seiner Lichtgestalt, seines Idols Adolf Hitler. In seiner Biografie zeichnet Peter Longerich akribisch den Werdegang dieses so schwachen und so gefährlichen Menschen, dieser „narzisstisch gestörten Persönlichkeit“ nach, dessen persönlicher Wahn am Ende nicht einmal vor den eigenen Kinder Halt machte. Dirk Becker

Peter Longerich stellt im Gespräch mit Alexander Gauland seine Biografie über Joseph Goebbels am kommenden Sonntag, dem 18. September, um 18 Uhr in der Villa Quandt in der Großen Weinmeisterstraße 46/47 vor. Der Eintritt kostet 7, ermäßigt 5 Euro. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 280 41 03

Dirk Becker

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