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Orgelsommerkonzert mit Tobias Scheetz: Zwischen Brausen und leisem Flüstern

Er sei „ein mit mathematischer Begabung ausgerüsteter, intuitiv schöpferischer Musiker“ gewesen, wissen Zeitzeugen über Max Reger zu berichten. Auch, dass er eine urwüchsige Kraftnatur gewesen sei, die des Humors, Witzes und der Lebensgenüsse ebenso bedurfte wie konzentriertester, pausenloser Arbeit.

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Er sei „ein mit mathematischer Begabung ausgerüsteter, intuitiv schöpferischer Musiker“ gewesen, wissen Zeitzeugen über Max Reger zu berichten. Auch, dass er eine urwüchsige Kraftnatur gewesen sei, die des Humors, Witzes und der Lebensgenüsse ebenso bedurfte wie konzentriertester, pausenloser Arbeit. Das Ergebnis: ein kolossales Lebenswerk, das leider sehr selten aufgeführt wird. Wie erfreulich, dass im Mittelpunkt des diesjährigen Orgelsommers im Gedenken an Regers 100. Todestag einige seiner gewaltigen, aber auch verspielten Orgelwerke standen. So auch beim Mittwochskonzert in der Friedenskirche, für das Tobias Scheetz, Organist und kommissarischer künstlerischer Leiter des Festivals, sich drei kleinere Stücke erwählt hat. Auch in ihnen finden sich die stilistischen Eigenarten des Komponisten wieder. Mit dem mitreißenden Stück „Gloria in excelsis“ aus den „Zwölf Stücken“ op. 59 eröffnet Tobias Scheetz den Abend. Er lässt die Woehl-Orgel sowohl brausen als auch ganz leise flüstern, um das gregorianische Choralzitat mächtig anschwellen zu lassen. Das ebenfalls aus der Sammlung stammende Doppel von d-Moll-Toccata und D-Dur-Fuge besticht vor allem durch den Schwung der Toccata, in den sich nachdenkliche Abschnitte einfügen, um schließlich in chromatische Verwandlungen zu münden. Zur Gemütsberuhigung dient die leise im Pedal beginnende, zart und melodiös dahinfließende Fuge, die in einem langen Crescendo ihre klangliche Erfüllung findet.

Zwischen Gloria und Toccata/Fuge ist Gisbert Näthers „Fantasie in memoriam Max Reger“ platziert, die Scheetz bereits im April bei einem „Intersonanzen“-Konzert am gleichen Ort aus der Taufe gehoben hat. Da der Potsdamer Komponist mit den stilistischen Besonderheiten des zu Gedenkenden vertraut ist, hat er den Regerschen Toccata-Sound aufgegriffen und in die Gegenwart fortgesponnen. Sehr originell: Eine liegende Sekunde erzeugt mit wabernden Diskantstimmen ein Spannungsfeld, bei dem Schwebendes auf Grummelndes, Blockhaftes auf gläserne Klarheit trifft. Ein hörerfreundlicher Mix. Von seiner Kunst der melodischen und harmonischen Kombinationen kündet Johann Sebastian Bachs Passacaglia c-Moll BWV 582, bei der über dem Fundament eines gleichbleibenden Basses zwanzig Variationen für Entdeckungen in einem polyphonen, klar strukturierten Notengebäude bürgen. Als romantisch geprägtes Klanghaus erweist sich dagegen die Orgelsymphonie Nr. 5 f-Moll op. 42/1 von Charles-Marie Widor (1844-1937), für deren Wiedergabe die sinfonisch disponierte Woehl-Orgel das geeignete Instrument ist. Als fantasiebegabter und klangfarbensicherer Dolmetscher versteht es Tobias Scheetz, die erforderlichen Klangdimensionen sicher zu steuern – liedhaftes Fortschreiten genauso wie drehorgelhafte Trivialitäten, näselnde Verinnerlichung, aufbrausende Leidenschaften, ätherisch-tremolierendes Schmachten. Der strahlenden, glanzvollen, sich rasant abspulenden Motorik der mitreißenden Toccata kann sich keiner der Zuhörer entziehen. 

Peter Buske

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