Kultur: Zwischen den Stühlen
Michael Svoboda ist heute als Posaunenvirtuose in dem vergnüglichen Motorbike Concerto zu erleben
Stand:
Er ist ein viel gefragter Posaunenvirtuose und zugleich ein ständig tüftelnder, verspielter und witziger Mensch. Wohl genau der Richtige, um ein Werk wie Jan Sandströms Motorbike Concerto (Uraufführung 1989) auf die Bühne zu bringen. Heute Abend ist der auf der Pazifikinsel Guam geborene und in Chicago aufgewachsene Michael Svoboda mit dieser vielfarbigen Musik, die eine rasante Spritztour durch die Kontinente ist – Motorradgeräusche inklusive – im 3. Sinfoniekonzert im Nikolaisaal zu erleben.
Sie sind Motorradfahrer?
Nein, und ich ziehe mir auch keine Motorradkluft an. Das ist für Erwachsene dann doch zu albern. Für Kinderkonzerte würde ich das allerdings tun.
Haben Sie dieses Stück schon öfter gespielt?
Ja, aber das ist schon fünf Jahre her. Ich bin jetzt für einen Kollegen eingesprungen. Das ist schon ein ziemlicher Kraftakt, da am 19. November meine Oper „Erwin, das Naturtalent“ in Stuttgart aufgeführt wird und der Dirigent gehen musste. Er hatte das Ganze wohl unterschätzt. Also musste ich auch dort einspringen.
Sie sind Posaunist, Dirigent und auch Komponist. Sie arbeiteten über zehn Jahre mit Karlheinz Stockhausen zusammen.
Ja, durch ihn bin ich wieder stärker zum Komponieren gekommen.
Und Sie absolvieren zudem im Jahr um die 80 Konzerte. Was ist das Besondere am Motorrad Concerto, das als eines der vergnüglichsten Posaunenkonzerte gilt.
Es ist eine einzige Zurschaustellung der Posaune: laut und schnell. Es ist fürs Orchester gut geschrieben und das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt versteht es auch, dies mit viel Verve umzusetzen. Der Solist ist dabei nur ein kleines Rädchen. Es ist schon super virtuos, aber ich könnte noch so gut spielen, ohne ein präzises Orchester geht gar nichts. Bei den Kadenzen, die das Leben der Aborigines in Australien beschreiben, werde ich auch improvisieren.
Werden die Zuhörer Probleme haben, dieses zeitgenössische Werk anzunehmen?
Das Stück besitzt viel Attraktivität für sehr verschiedene Zuhörer. Wer mit seinen Ohren bis Mahler gekommen ist, der hat auch etwas davon. Es ist sehr farbig.
Die Neue Musik hat es nicht so leicht, sich auf Konzertpodien zu behaupten. Was denken Sie als Grenzgänger, der auch dem Jazz und der Klassik zugetan ist, darüber?
Meine Werke stecken zwischen all“ den Einordnungen. Ich schreibe, was ich gut finde. Stockhausen sagte einmal, dass die Neue Musik ziemlich ausgetrocknet ist. Sie schmort seit der Wende im eigenen Saft, aus dem einige versuchen, einen Ausweg zu finden. Die Leute wollen im Konzert etwas erleben. So wie heute Abend: Das ist ein gutes Programm, da höre ich eine Beziehung heraus zwischen Dvorak, Grieg und Sandström.
Sie kennen diesen wichtigen Erlebnisfaktor aus Amerika.
Ja. Ich denke, Neue Musik allein funktioniert nicht. Nehmen Sie das Wort konsequent. Auf Deutsch beschreibt es eine Tugend. Im Englischen steht es eher für Unflexibilität.
Sie wohnen aber in Deutschland.
Seit 24 Jahren, und ich fühle mich wohl hier. Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es Vor- und Nachteile hat, zwischen den Stühlen zu sitzen. Da wird man auch schnell in die Schublade von Crossover gesteckt, die nach Vanessa Mey und nasse T-Shirts klingt.
Das Gespräch führte Heidi Jäger
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