Kultur: Zwischen Fasching und Faschismus
Schwarze Grütze begeisterten im Theaterschiff / Am 24. November gibt es einen Nachschlag
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Heimspiel für die „Schwarze Grütze“ auf dem Theaterschiff. Zu sehen ist das neue Programm „Niveauwonieniveauwar“ der zwei Musikkabarettisten: preisgekrönt mit dem renommierten Leipziger „Löwenzahn“. Die Stimmung im überfüllten Schiffsbauch: ausgehungert nach der makabren Kost. Das Duo, das in der wohl skurrilsten „Talentschmiede“ der Republik, nämlich beim Musikstudium in Golm, zusammen gefunden hat, setzte seine Heimat in den vergangenen Jahren auf Entzug und eroberte derweil die Republik.
Die beträchtlichen Fans im Publikum hatten Stefan Klucke, wenig Haare, der Ernstere mit Brechtbrille, und Dirk Pursche, der Clowneskere mit noch weniger Haaren, nicht vergessen. Die zweite der selbstredend ausverkauften Shows gehörte zu den Glanzlichtern Potsdamer Abendunterhaltung. Eine dichte Spannung schwebte über den Köpfen, es funkte, es blitzte, es kommunizierte zwischen Bühne und Saal.
Mit „Tätäräta“ gemäß des Karnevalsbeginns halten die beiden Einzug, um zu klären, ob „Fasching und Faschismus denselben Wortstamm besitzen“. Jedenfalls für „Schwarze Grütze“, denn ihr Auftritt bewegte sich mit einer Rasanz zwischen den Polen großpolitischer Gesellschaftsbetrachtung und schlichtem Kalauer.
Der kann auch ganz platt sein, muss es sogar, die Abfolge von steiler Wortakrobatik, Nonsens und schwarzgefärbter Satire in den Gesangsnummern von „Schwarze Grütze“ folgen einer stetig an Spannung gewinnenden, gekonnten Dramaturgie.
Da darf ein „Hit“ auch mal zu „Hitler“ gesteigert werden. „Opa, kennst du eigentlich Russland.“ „Ja, aber nur flüchtig.“ Das mit der Verarbeitung der unzähligen Anspielungen, gegenseitigen Seitenhieben und Sprachspielen beschäftigte Hirnzentrum fordert geradezu eine kleine Pause mit billigem Spott.
Die kunstvollsten der mit E-Gitarre, E-Baß oder am Klavier begleiteten Stücke sind atemraubende Wortkaskaden. So der synchron vorgetragene Zungenbrecher über Knut, der die Ruth in Beirut gut knutscht oder die groteske Erzählung eines „Leichensammlers“, der sich die sterblichen Überreste Lenins, Stalins und Friedrich des Großen einschließlich seiner Hunde in die Vitrine stellen will. Als ob die Geschichte alleine noch nicht schwarz genug wäre, verweben „Schwarze Grütze“ in ihrem Text Strophe für Strophe den Wortdreiklang „setzen, stellen, legen“ mit einer anderen Vorsilbe: Umsetzen, umstellen, umlegen, Entsetzen, Entstellen, entlegen, versetzen, verstellen, verlegen. So wird Komik zum beeindruckenden Spiel über die Möglichkeiten der Sprache.
Die Neigung zur intensiven Wortwissenschaft wird bei Klucke und Pursche rechtzeitig mithilfe der Musik abgeschwächt. Sie glauben, „Musik spiegelt die Seele eines Volkes“. Pursche singt als aggressiver, frustrierter Trinker, den Blues, bestehend aus Versatzstücken deutscher Stimmungslieder: „Klingellingelling, da kommt der Eiermann“. Bedrohlicher hat Stimmung selten geklungen. „Schwarze Grütze“ formen treffsicher deutsche Bierseligkeit in eine Deutschtümelei um, bei der, wenn das Geld für“s Bier nicht mehr reicht, halt wieder „Polen überfallen wird“.
Mit den beiden Pflichtzugaben und Evergreens im Programm, „Maria, komm an“s Fenster“ und „Ich habe einen Weihnachtsmann erschossen“ gingen Potsdams beste Kabarettisten unter Jubel von der Bühne.
Aufgrund der großen Nachfrage wird die „Schwarze Grütze“ nochmals am 24. November auf dem Theaterschiff gastieren. Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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