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Kultur: Zwischen Hingabe und Häppchen Matteo Imbruno spielte in der Erlöserkirche

Darf Orgelmusik – in der Kirche dargeboten – profan und unterhaltsam sein? Oder sollte sie ausschließlich der inneren Einkehr, der spirituellen Hingabe dienen?

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Darf Orgelmusik – in der Kirche dargeboten – profan und unterhaltsam sein? Oder sollte sie ausschließlich der inneren Einkehr, der spirituellen Hingabe dienen? Ist Häppchenkost angemessen oder wäre es wünschenswert, wenn das Programm einem thematischen Leitfaden folgte? Stilistische Einengung statt Epochenvielfalt? Liturgische Stücke oder konzertante Werke? Wie so meist liegt die Wahrheit dazwischen.

Die Abwechslung macht’s – sofern der Tiefgang nicht zu kurz kommt –, mitunter auch der bewusste Kontrast innerhalb eines Programms. In diesen Zwiespalt sah sich der Italiener Matteo Imbruno wohl kaum gestellt, der sowohl als Kirchenorganist der Oude Kerk in Amsterdam als auch als Konzertorganist des „Museum Amsterdam Hermitage“ tätig ist. Für seinen Orgelsommer-Auftritt in der Erlöserkirche entschied er sich für ein rein konzertantes Barockprogramm. Die Schuke-Orgel mit ihrer barocken Disposition diente ihm dabei als passendes Medium.

Streng und klar, assistiert von durchdringenden Prinzipalstimmen, erklang zu Beginn das G-Dur-Präludium von Nikolaus Bruhns, diesem gewichtigen Vertreter der norddeutschen Orgelschule. Pointiert spielte Matteo Imbruno die Diskantmelodie, die viel Glanz und selbstbewusste Fröhlichkeit verbreitete, ehe das Opus erhaben und machtvoll seinem Finale zustrebte. Ein lebendiges, ein sinnliches Entrée.

Ihm folgte, als passender Kontrast, das gefühlvolle Instrumentalstück „Tiento de medio registro de mano derecha de primo tono“ des Spaniers Pablo Bruna, der als blinder Organist am Hofe von Philipp IV. wirkte. Bei der Wiedergabe dieser spanischen Version des Ricercar verbreitete der Organist mit seinem Instrument eine weiche Lieblichkeit, aus der er prägnante Soloregister wie beispielsweise das schnarrende Fagott hervortreten ließ. Südländische Klangpracht verbreitete sich – tänzerisch beschwingt bis temperamentvoll. Von ähnlichem Zuschnitt war die Ciacona in f-Moll des einst im süddeutschen Kulturraum tätigen Johann Pachelbel, die beim diesjährigen Orgelsommer nun zum zweiten Mal erklang. Sie glich einer innerlich bewegenden Meditation, auch wenn sie ruhig fließend ihre Schönheit preisgab. Matteo Imbruno spielte sie strukturklar und filigran, zugleich aber registriert farbig.

Dann folgte ein abrupter Gefühlswechsel. Statt introvertierter Hingabe sorgte nun Johann Sebastian Bachs Concerto BWV 976 für Virtuosität pur, mit unbändiger Spiellust strahlend, hell und brillant in den Allegro-Ecksätzen vorgetragen. Ganz im klanglichen Gegensatz tönte dann das Adagio: samtig weich, mit stark tremolierenden Solostimmen. Dass der Organist dabei strikt im Metrum blieb, versteht sich wohl von selbst.

Zum Abschluss erklang dann noch die Suite „Della sinfonia d’Alcione“ des Franzosen Marin Marais, für die Matteo Imbruno tief in die farbenbunte Registerkiste griff, um jedem Abschnitt eine besondere, immer wieder effektvolle, Note zu verleihen. Das Stück begann er zuerst scharfstimmig und durchdringend, dann schnarrend, näselnd, und an Trompetenstöße erinnernd und was das Schwellwerk noch so an Überraschungen parat hatte. Dafür sorgt auch ein extra geschlegeltes paukenähnliches Instrument fürs majestätische Finale. Herzlicher Beifall. Peter Buske

Peter Buske

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