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Kultur: Zwischen Hölle und Himmel

Verdi-Requiem im Nikolaisaal

Stand:

Es ließe sich vieles von dem, was einem nach der Aufführung von Verdis „Messa da Requiem“ durch die Potsdamer Singakademie unter dem stark pantomimisch geprägten Dirigat von Edgar Hykel anno 2003 in den Sinn kam, erneut niederschreiben. Denn auch fünf Jahre später setzt er an gleicher Stätte auf eine kraftstrotzende und kontrastbetonte Wiedergabe der mit Italianità und Opernbrio vertonten Totenklage. Nach wie vor liebt er die theatralischen Ausbrüche, das Leise und Innige, die Beschwörungen des Erbarmens, die er mit nicht weniger Intensität als den Furor zu gestalten versteht. Dass bei dieser rational geprägten, innerliches Beteiligtsein den Mitwirkenden nicht immer genügend abfordernden Lesart sentimentalische Betrachtungen auch diesmal wieder keinen Platz finden werden, war voraussehbar. Insofern ist Hykel sich und seinen Intentionen treu geblieben.

Diesmal ganz auf sich allein gestellt, deklamieren die Chorsänger sehr stimmweich und homogen, fast tonlos und dennoch sehr intensiv die „Requiem aeternam“-Einleitung ein. Dabei werden sie von Streichern des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt gefühlvoll begleitet. Nach und nach treten Bläserstimmen hinzu, wird Gottes Loblied („Te decet hymnus“) leidenschaftlich, geradezu einfordernd angestimmt. Die Intonationssicherheit kann man dabei nicht anders als nur hemmungslos loben. Da haben die Choristen einen stimmtechnisch erfolgreichen Weg zurückgelegt. Was für das Nachfolgende nicht unerheblich ist. Auf geradezu markerschütternde Weise bricht das „Dies irae“, die Beschreibung des Jüngsten Gerichts, herein. Ausgelotet in extremer Dynamik, wobei die Tage der Rache und der Sünden, gleichsam als Vulkaneruptionen, im mehrfachen Fortissimo musiziert, chorisch fast herausgeschrieen werden, ohne unkultiviert zu wirken.

Das Orchester lässt es dazu wirkungsvoll krachen, um wenig später nicht minder abrupt in die Abspannung zu fallen. Dieser effektvolle Wechsel von aufpeitschend und nachdenklich, besänftigend und beschwörend, antreibend und innig gelingt den Musikern mit aller erdenklichen Klangpracht und Farbenglut. Und Hingabe. Die Arien des „Dies irae“-Abschnitts statten sie mit präzise gespielten Details aus. Angestimmt werden sie von einem Solistenquartett, das über robuste, kerngesunde, operndramatisch erfahrene Stimmbänder verfügt, die mühelos über Klangmassen schweben, strahlen und glänzen können. Allen voran Lawrence Bakst, der, auswendig singend und sicher im Ansatz, mit seinem glanzvollen Heldentenor problemlos alles übertönt. Seine „Ingemisco“-Bitte singt er strahlkräftig, das „Hostias“ mit ebenso überzeugender Innigkeit. Nicht weniger hochdramatisch, zuweilen ein wenig zu durchdringend und schärflich, ertönt der höhensichere Sopran von Corinne Sutter, einer mit allen (Stimm-)Wassern gewaschener Wagnerheroine. Das Gefühlserwärmende gelingt ihr leider erst im abschließenden „Libera me“, aber dann umso überzeugender. Eher von einer lyrischer Grundposition aus wirkt Carolin Masur, die mit ihrem schlanken und schnörkellosen Mezzosopran das Innige und Milde sehr natürlich erfühlt („Liber scriptus“), mit dem Sopran („Recordare“) innig duettiert. Als ob er mitunter auf genauer Tonhöhensuche sei, hörte sich der voluminös tönende Bass von Bernd Hofmann an. Aber es war wohl eine Erkältung, die ihn an der restlosen Entfaltung seiner Möglichkeiten hinderte. Nach ergriffenem Schweigen folgt der aussagekräftigen Wiedergabe viel Beifall. Peter Buske

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