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Kultur: Zwischen Imbiss und Spocht Comedian Olli Dittrich
in der Waschhaus-Arena
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Er ist schon ein wenig in die Jahre gekommen. Und das überrascht dann etwas, assoziiert man mit ihm doch die alterslose Kalauermaschine, die in den Neunzigern als Vorzeige-Entertainer der Privat-TV-Unterhaltung galt. Am Samstag war der Hamburger Comedian Olli Dittrich in der Waschhaus-Arena zu Gast, um ein Buch vorzustellen, dass er so eigentlich nie schreiben wollte. Eine Lesung wurde es aber dann doch nicht. Denn Dittrich plauderte so viel aus dem Nähkastchen, dass für das eigentliche Vorlesen gar keine Zeit mehr blieb. Dabei machte er durchaus Lust auf seine Autobiografie „Das wirklich wahre Leben“, die nach eigenem Bekunden mehr ein Sammelsurium seiner Lebensstationen geworden ist.
Dittrichs Auftritt hatte etwas Retrospektives, beinahe schon Wehmütiges, als ob er bereits im retardierenden Moment seiner Karriere angekommen wäre – mit weißem Hemd, schwarzer Weste und auf die Nase gesetzter Lesebrille schwadronierte er mit großväterlicher Vorlesestimme und unterhielt mit schelmisch-norddeutscher Lethargie die fast bis auf den letzten Platz gefüllte Waschhaus-Arena. Und kam dabei mit beinahe lehrerhafter Rhetorik immer wieder vom Thema ab. „Das werde ich nie vergessen“, war einer der häufigsten Sätze, oder „Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes erzählen.“ Wobei er sich auch als Beobachter der kleinen Skurrilitäten des Alltags entpuppte. Auch erwies er sich als Großmeister der Running Gags, wenn er beispielsweise von seiner VW Käfer fahrenden „Oma aus Offebach“ hesselte, vom harten Handwerk des Kalauerns erzählte oder von seinen Kontakten zum Monster der deutschen Fernsehunterhaltung, Rudi Carrell, berichtete – den er übrigens hervorragend zu imitieren im Stande war („Rudi Carrell rauchte so viel, den nannte man in der Branche immer Lord Extra“). Und im Imitieren übertraf er sich selbst: Franz Beckenbauer durfte da natürlich nicht fehlen, Udo Lindenberg und Boris Becker auch nicht.
Überhaupt war der Fußball und Dittrichs Verehrung für das HSV-Urgestein Uwe Seeler omnipräsentes Phänomen des Abends: Dittrichs Exkurs in die siebziger Jahre – in denen es eigentlich nur drei Farben gab: „orange, olivgrün und braun“ – war immer auch eine Reminiszenz an den Fußball. Dittrich war Linksverteidiger des TSV Niendorf. Sein Trainer meinte einmal zu ihm: „Und wenn ein Gegner aufs Klo muss, dann gehst du bitte mit!“. Und Uwe Seeler spielte in seiner Biografie eine große Rolle: Dittrich erzählte mit leuchtenden Augen, dass genau dieser Uwe Seeler als Gastdarsteller in seiner philosophischen Fernsehshow „Dittsche“ auftauchte – und zwar eine ganze Episode lang, wo er 30 Minuten lang auf einem Barhocker auf „Schildkrötes“ Platz saß. Viele hätten das gar nicht bemerkt. Mittlerweile schafft es ja die Crème de la crème der Fernsehunterhaltung, sich einen Gastauftritt in seinem berüchtigten Hamburger Imbisslokal zu sichern: Klitschko war schon da, auch Westernhagen und Günther Jauch.
„Dittsche“ blieb an diesem Abend in Potsdam alledings dem TV-Kasten vorbehalten: Auch wenn einige stilecht in Bademantel und Aldi-Tüte zum Auftritt kamen, strapazierte Dittrich seinen Grimme-prämierten Charakter dankbarerweise nicht zu sehr. Dafür gab es eine Replik zu seiner ehemaligen RTL-Show „Neues vom Spocht“: „Muss man sich eigentlich für ein Schienbein schämen oder ein Schambein schienen?“ Das sind so Fragen. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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