zum Hauptinhalt

Kultur: Zwischen introvertiert und kraftvoll Orgelsommer-Auftakt mit Frank Zimpel

Zweifellos pilgern nach Mekka wesentlich mehr Gläubige, um an das Ziel ihrer Wünsche zu gelangen. Doch für die hiesigen Orgelfreunde ist der Internationale Orgelsommer nicht weniger mekkageprägtes Ziel ihrer Sehnsüchte.

Stand:

Zweifellos pilgern nach Mekka wesentlich mehr Gläubige, um an das Ziel ihrer Wünsche zu gelangen. Doch für die hiesigen Orgelfreunde ist der Internationale Orgelsommer nicht weniger mekkageprägtes Ziel ihrer Sehnsüchte. Mittlerweile zum 19. Mal. Und längst zu einer „löblichen Institution in Potsdam geworden“, zu einem „Leuchtturm der Kirchenmusik für den Kirchenkreis und die Landesmetropole“, wie Superintendent Joachim Zehner bei der Saisoneröffnung in der Erlöserkirche betonte.

Wie die Orgeln, so die Organisten – an diesem zugespitzten Schweitzer-Wort ist was dran. Der Leipziger Organist Frank Zimpel bewies es an der im vorigen Jahr generalsanierten und brillanter denn je tönenden Schuke-Orgel auf höchst eindrucksvolle Weise. Vorzugsweise mit Werken von Johann Sebastian Bach, dessen Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 zum Auftakt erklang. Wie aus dem Himmel herabzuckende Blitze nahmen sich die einleitenden Akkorde aus, um alsbald zu expressiv Fluktuierendem sich zu verdichten. Prinzipalscharf, unverschnörkelt und sehr glanzvoll ertönte dieser Hit. Und zwar nicht verspielt oder zu einer vordergründig virtuosen Parforcejagd degradiert, sondern mit aller Erhabenheit, allem Ernst und strukturerhellendem Sachverstand vorgetragen. Das war ein Jubilieren in kraftvollen, klaren Tönen.

Nicht nur hier schienen Orgel und Organist eine verschworene Gemeinschaft. Bekenntnishaft und majestätisch führte Frank Zimpel das Es-Dur-Praeludium BWV 552/1 (aus dem 3. Teil der „Clavier-Übung“) vor, dem später die entsprechende Fuge in klangstrenger Unerbittlichkeit und quasi mathematischer Gründlichkeit folgte. Beide Stücke verlangten nach vollem Orgelwerk und daran hielt der Organist eisern fest – durchweg im Fortissimo, auch wenn es nicht immer angebracht war. Geistigen Ausruhepunkten glichen die Choralbearbeitungen „Allein zu dir, Herr Jesu Christ“ und „Schmücke dich, o liebe Seele“, flötenlieblich und flink die eine; seelenerbaulich, schwebend weich und mit dem markanten Soloregister der Sesquialtera aus dem aufschwellenden Hinterwerk. Eher merkwürdig mutete die weitgehend spröde, fast bärbeißige, durchweg zu laute Deutung von Mozarts Fantasie f-Moll KV 608 an. Sie schien aus der Tiefkühltruhe entnommen zu sein.

Ein mozartisches Thema „für die Orgelwalze“ griff Zsolt Gárdonyi für sein in swingende Gefilde führendes Stück „Mozart Changes“ von 1995. Verschlungenen harmonischen Pfaden galt es dabei zu folgen, die durch überraschende Soloregister dem Hörer zu mancherlei neuen Einblicken verhalfen. Fürwahr ein witziges Stück. Wie auch der „d-Moll-Swing“ von David Timm, der das Thema von BWV 565 aufgriff, rasch in den Jazzsound modulierte. Asketischen Organomanen sicherlich ein Naserümpfen wert, doch die blieben in der Minderzahl. Ein originelles Finale, dem Mendelssohn Bartholdys d-Moll-Sonate op. 65 Nr. 6 voranging. Gradlinig, zwischen introvertiert und kraftvoll spielte Frank Zimpel die Variationen über das Thema „Vater unser im Himmelreich“, wobei er die durchdringenden Prinzipale bevorzugte. Weich und versöhnlich, geschmeidig und fließend zeigte sich das Fugenfinale. Stürmischer Beifall, aber keine Zugabe. Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })