Kultur: Zwischen rabiat und gefühlsinnig Sinfoniekonzert der Kammerakademie
„Man sieht nur mit dem Herzen gut“, weiß der Kleine Prinz. Vielleicht, ließe sich fragen, musizierte man mit dem Herzen auch besser?
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„Man sieht nur mit dem Herzen gut“, weiß der Kleine Prinz. Vielleicht, ließe sich fragen, musizierte man mit dem Herzen auch besser?! „Denn es muss von Herzen gehen, was auf Herzen wirken soll“, bekräftigt schon Dichterfürst Goethe. Und schließlich sei noch Schopenhauer zum Thema zitiert: „Was dem Herzen widerstrebt, lässt der Kopf nicht ein.“ An diese Sentenzen der Altvorderen mag Dirigent Andrea Marcon beim 5. Sinfoniekonzert im Nikolaisaal wohl kaum gedacht haben, als er mit Serenadenmusik und Opernarien von Wolfgang Amadeus Mozart seinen Abschied von der künstlerischen Mitregentschaft bei der Kammerakademie Potsdam nahm. Die Musiker sind wie stets hoch motiviert, musizieren sozusagen auf der Stuhlkante. Doch ist ihnen alles, was sie zu Klang werden lassen, wirklich von Herzen gekommen?
Einleitend erklingt der „Allegro maestoso“-Satz aus der „Haffner“-Serenade D-Dur KV 250, dessen bläserunterstützte Akkorde wie martialische Weckrufe wirken. Es geht forsch, vibratolos, unelegant und überlaut zu, fast rabiat. Mutmaßte Marcon unter den Zuhörern Schwerhörige, die es mit einer exzessiv betriebenen Kontrastdramaturgie bei Laune zu halten galt?! Dass die Serenade eine Abendmusik mit Ständchencharakter ist, dürfte bekannt sein. Auch deren festliche Gehobenheit je nach Gebrauchsanlass. Im speziellen Fall ist sie für die Hochzeit der Salzburger Bürgermeistertochter Elisabeth Haffner mit dem Kaufmann Franz Xaver Späth bestimmt. Wäre sie damals so krachledern erklungen wie im Nikolaisaal, hätte die Festgesellschaft die Band garantiert aus dem Haffnerschen Anwesen expediert. An einigen Pianissimostellen gibt es erfreulicherweise die Anmutung von Mozartscher Gefühlsinnigkeit, kann die Musik in ihrem Puls schwingen. Und höre da: plötzlich klingt es trotz aller klangschärflichen Intentionen zu Herzen gehend.
Wie der Anfang, so sein Ende, mit einer Folge von vier Sätzen aus der D-Dur-Serenade KV 203, die formal als Sinfonie dargereicht werden, ohne allerdings die Anforderungen der Gattung zu erfüllen. Zwischen laut-leise, schnell-langsam und preußisch-zackig gibt es kaum Zwischentöne. Einzig der Andante-Satz mit sordinierten Streichern und einer innig geblasenen Oboenkantilene (Jan Böttcher) wird sinnerfüllt zu einem atmenden Arioso gestaltet. Aus selbiger Serenade wird auch ein kleines Violinkonzert in B-Dur destilliert, das Konzertmeisterin Yuki Kasai detailreich, mit schlanker Tongebung und in aufblühender Innigkeit spielt.
In zurückhaltend-dienender Funktion finden sich die Musiker im ersten Teil wieder, als sie der Mezzosopranistin Franziska Gottwald eine tempo- und lautstärkegerechte Begleitung angedeihen lassen. Sie liefern ihr den fiebrig-nervösen Unterton für den innigen, aber ein wenig unterkühlt wirkenden Vortrag der Cherubino-Arie „Voi che sapete“. Das zweite Gefühlsbekenntnis des pubertierenden Knaben „Non so piu cosa son, cosa faccio“ liefert sie dann als Zugabe, nachdem sie in Arien des Sesto (aus „La clemenza di Tito“) und des Ramiro (aus „La finta giardiniera“) die Skala affektgeladener Emotionen zwischen Liebesschwüren, Verzweiflungsschmerz und Entsagung ausgebreitet hat. Dabei meistert ihre Stimme mühelos die abruptesten Intervallsprünge aus satter Tiefe in strahlende Höhenlagen. Sie gestaltet herzerfrischend natürlich. Kurzum: mit dem Herzen singt sich’s eben besser. Peter Buske
Peter Buske D
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