Kultur: Zwischen Spätromantik und Moderne Joachim Walter eröffnete den Orgelsommer
Orgelliebhaber und -kenner zu erbauen, aber auch neue hinzugewinnen – das hat sich der Internationale Orgelsommer Potsdam von Anbeginn zu seinem hehren Ziel erkoren. Längst ist er ein unverzichtbarer Bestandteil des abwechslungsreichen Potsdamer Kulturlebens und geht bereits in seine 24.
Stand:
Orgelliebhaber und -kenner zu erbauen, aber auch neue hinzugewinnen – das hat sich der Internationale Orgelsommer Potsdam von Anbeginn zu seinem hehren Ziel erkoren. Längst ist er ein unverzichtbarer Bestandteil des abwechslungsreichen Potsdamer Kulturlebens und geht bereits in seine 24. Saison, die sich am Mittwoch in der Friedenskirche mit einem Konzert von Joachim Walter, neuem Sachwalter der Musica sacra an diesem Gotteshaus, eröffnete. Wie stets wird es zwölf Konzerte mit renommierten Organisten aus vieler Herren Länder geben, die alternierend an der Woehl-Orgel (Friedenskirche) und der Schuke-Orgel (Erlöserkirche) das Loblied der Heiligen Cäcilie verkünden. Beide Instrumente können in diesem Jahr Geburtstag feiern: den 10. die sinfonisch disponierte Woehl-Orgel, den 50. das barockorientierte Schuke-Instrument. Letztere lädt am 13. September zu einer Orgelnacht in die Erlöserkirche, bei der sich die Potsdamer Organisten ein Stelldichein geben. Mit dabei auch Joachim Walter, der dann Werke von je einem deutschen und österreichischen Kirchenmusiker des 20. Jahrhunderts spielt.
Gemäßigte Moderne also, der sich Joachim Walter verbunden fühlt und der er denn auch beim Eröffnungskonzert des Orgelsommers huldigt. Allerdings zusammen mit Spätromantikern, allesamt aus Frankreich stammend. Ein guter Griff, denn das Woehl-Instrument verfügt über ein farbenreiches und glanzvoll disponiertes „französisches Manual“, mit dem sich diese Werke auf überraschende Weise sehr sinnreich registrieren lassen. Französisches Flair zaubert der Organist bereits bei zwei Werken von César Franck. Zungenstimmenreich tönt die „Pièce héroique“: herrlich an- und abschwellend, mit gebotener Erhabenheit, aber stets feinsinnig im Klang. Unter Verwendung von Crescendowalze, Koppeln und Schweller entstehen dynamische Raffinessen, die man in dieser faszinierenden Fülle an diesem Instrument bislang höchst selten erleben konnte. Danach zeigt sich „Prière“ (Gebet) ganz vom Gefühl innerer Zufriedenheit erfüllt, woran der verinnerlichte, schlichte Vortrag erheblichen Anteil hat: feingliedrig und wie mit zärtlichen Pinselstrichen farbenreich koloriert.
Dann lässt der Klangmagier mit überaus flinken Händen und Füßen die Phalanx sinfonisch opulenter Stücke aufmarschieren. Pedalgewichtig und im gleichsam vollen Orchesterklang verbreitet sich das Scherzo aus der 5. Sonate von Alexandre Guilmant, dem solistisch eingesetzte Diskantstimmen die Anmutung von Flöten und anderen Holzblasinstrumenten verleiht. Doch immer wieder sorgt volles Orgelwerk für geradezu rauschhafte Hörerlebnisse. Differenziert im Ausdruck, vortrefflich phrasiert und frappierend dynamisiert erklingt die „Suite carmelite“ von Jean Françaix, die für ein Filmprojekt über das Schicksal einer neu ordinierten Nonne entstand. Sechs faszinierende Charakterporträts von Schwestern bis hin zur korpulent-majestätischen Klosterchefin: alles sehr kurzweilig und prägnant. Das fulminante Konzertfinale setzt der Organist mit „Trois Dances“ von Jehan Alain, die menschliches Leben versinnbildlichen: Freude, Trauer und der Kampf dieser Gegensätze. Sie erfahren eine beeindruckende Wiedergabe, breiten sich pointiert, dann wieder klangflächig aus, zeigen sich verhalten, düster, schicksalsergeben und aufbäumend bis apotheotisch. Joachim Walters Spiel erreicht dabei geradezu tiefenpsychologische Dimensionen. Er wird anhaltend gefeiert. Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: