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Kultur: Zwischen Tradition und Eigensinn

Buch über Lebenswege Potsdamer Frauen vom 18. bis 20. Jahrhundert hat morgen Premiere

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Welche Spuren haben Frauen in verschiedenen Jahrhunderten in Potsdam hinterlassen? Wer sich diese Frage stellt, dem werden womöglich Kaiserinnen und Königinnen einfallen, doch kaum Frauen aus dem Bürgertum oder gar aus den so genannten niederen Ständen. Denn es gibt nur wenige öffentliche Darstellungen des Lebens und Wirkens dieser Frauen, die zumeist unbekannt blieben oder schnell vergessen waren. „Um ihre Geschichte sichtbarer zu machen, fanden sich 2007 acht Interessentinnen zum Arbeitskreis ,Frauengeschichte’ zusammen“, erzählt Heiderose Gerber, Geschäftsführerin des Autonomen Frauenzentrums und Mitinitiatorin der Arbeitsgruppe.

Eine Anschubfinanzierung ermöglichte der Ethnologin und Soziologin Jeanette Toussaint, die ersten Namen und Lebensgeschichten von Frauen aus verschiedenen Berufsgruppen zu recherchieren. Aus dieser Erstrecherche entstanden 17 Kurzbiografien, angesiedelt in der Zeit vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Daraus wählte die Arbeitsgruppe für die nun vorliegende Publikation sieben Frauen aus, die zu Lebzeiten bekannt und geschätzt waren. „Dabei“, so die Autorin Jeanette Toussaint, „wollten wir von Anfang an nicht nur reine Biografien, sondern auch gesellschaftspolitische Hintergründe beschreiben: Welche Traditionen waren zu dieser Zeit für Frauen in diesem Bereich maßgeblich? Wie haben sich die Frauen daran orientiert, wie haben sie eigene Wege gefunden? Diese Einbindung war uns wichtig.“

So unterschiedlich wie die in drei Jahrhunderten verwurzelten weiblichen Lebensgeschichten waren auch die Quellen, aus denen etwas über sie zu erfahren war. Nicht nur in Archiven, wie dem Stadtarchiv Potsdam, dem Bundesarchiv Berlin oder dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv wurde nach Spuren gesucht. Manchmal konnten Auskünfte nur durch Sekundärliteratur gewonnen werden, wie bei den Schwestern Maria Carolina und Juliane Bernhardine Benda, Sprösslinge einer böhmischen Musikerfamilie. Beide waren im 18. Jahrhundert bekannte Sängerinnen und Komponistinnen gewesen.

Informationen über Anna Zielenziger bekam Toussaint durch den Kontakt mit ihrem in New York noch lebenden Enkel, und eine Anfrage an die Gedenkstätte des Lagers Westerbork in den Niederlanden brachte ihr Informationen über ihren Tod: Die Vorsitzende des Israelitischen Frauenvereins Potsdam war 1943 in diesem KZ umgekommen.

Nur selten lagen Selbstzeugnisse vor wie bei Johanna Just, der Gründerin der Handels- und Gewerbeschule für Mädchen, die zum Schul-Jubiläum eine Festschrift verfasst hatte. So mussten Lebensdaten, Akteneinträge, Fragmente, Informationen über sie zu einem Stück Alltagsgeschichte der Frauen verwoben werden. Den Text über die Seidenkultivateurin Anne Marei Baral verfasste Silke Kamp. Die Historikerin, die gerade zur Geschichte der Hugenotten in Potsdam promoviert, stieß bei ihren Recherchen auf viele interessante Materialien über die Nachfahrin französischer Glaubensflüchtlinge, die im 18. Jahrhundert in Potsdam gewirkt hatte.

Heide Gerber und Jeanette Toussaint hoffen, dass die Schrift neugierig macht. Sie sehen das Buch als Anfang, nicht als Endpunkt ihrer Forschungsarbeit. Das große Ziel ist eine Publikation, die Vergleiche zwischen verschiedenen Berufsgruppen – Künstlerinnen, Unternehmerinnen oder Wissenschaftlerinnen – zulässt und aufzeigt, wie sich die Möglichkeiten für Frauen zwischen dem 18. Und 20. Jahrhundert verändert haben: Ein ebenso ambitioniertes wie spannendes Projekt. Gabriele Zellmann

Buchpremiere: 11. März, 18 Uhr, Landeszentrale für politische Bildung Heinrich-Mann-Allee 107; „Zwischen Tradition und Eigensinn – Lebenswege Potsdamer Frauen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert“, Publikation des Frauenzentrums Potsdam, Gäste: Jeanette Toussaint und Silke Kamp, Moderation: Prof. Elke Liebs.

Gabriele ZellmannD

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