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Folgen der Polizeireform: „... keine Ahnung von der Region“
Nach der Polizeireform beklagt ein Unternehmer aus Werder (Havel) die schleppende Polizeiarbeit in der Region. Zahlen bestätigen das Bild.
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Werder (Havel) - Reinhard Gertner hat viel mit der Polizei zu tun, mehr als ihm lieb ist: Als Geschäftsführer der Abriss- und Recyclingfirma Gertner+Fettback in Geltow muss er im Schnitt alle zwei Wochen Anzeige erstatten, weil auf irgendeiner seiner Baustellen über Nacht mal wieder Diesel abgezapft wurde. Deutschlandweit habe man Aufträge, am schlimmsten sei es mit der Klauerei im Heimatland. Aktuell haben es Einbrecher auf seinen an sich gut gesicherten Betriebshof in Glindow abgesehen. Gertner würde sich wünschen, dass die Polizei beherzter bei der Sache ist.
Seit April gab es drei Einbrüche auf dem Betriebshof, zuletzt Pfingstmontag. Büroräume wurden durchwühlt, Bargeld und Metall gestohlen, Fenster und Türen aufgebrochen. Der Unternehmer beziffert den Schaden auf 20 000 Euro. Und mit der Polizei sei nicht mehr viel anzufangen. Gertner erinnert sich an eine Einbruchsserie im Geltower Hauptsitz der Firma – in Zeiten vor der Polizeireform: „Die Beamten waren ruckzuck da, haben sich über Nacht auf die Lauer gelegt.“ Gemeinsam habe man über Strategien nachgedacht, um den Tätern auf die Spur zu kommen. Bei der aktuellen Einbruchsserie habe er eher den Eindruck von überlasteten Beamten, die von Einsatz zu Einsatz hasten.
Nach einem Anruf habe er zwei Stunden gewartet, bis der Streifenwagen eintraf. Dann habe es nochmal drei Stunden gedauert, bis die Spurensicherung da war. Die Arbeit sei in dieser Zeit lahmgelegt gewesen. „Alle sind sehr freundlich, aber es kommen immer andere Polizisten, mal aus Potsdam, dann aus Kleinmachnow. Und sie haben keine Ahnung von der Region.“ Für Gertner ist klar, woran es liegt.
Die rot-rote Landesregierung hatte zu Beginn ihrer Amtszeit beschlossen, 1900 der damals 8900 Polizeistellen abzubauen. Die neue Polizeistruktur besteht seit November 2011, der Stellenabbau soll bis 2020 abgeschlossen sein. Derzeit gibt es nach Angaben des Polizeipräsidiums noch 8400 Stellen bei der Landespolizei. Die Region Werder hat es besonders hart getroffen, von einst 60 Beamten arbeiten in der örtlichen Wache noch 24, am Schluss sollen es 18 sein.
Zwar präsentiert die Polizeidirektion-West Zahlen, wonach die Zahl der Straftaten im Revier Werder im vorigen Jahr trotz Reform leicht zurückgegangen ist. Diebstähle aus Unternehmen gab es demnach noch 35, im Vorjahr waren es 38. Werders CDU-Fraktionssprecher Christian Große misstraut aber dem Bild: „Mein Eindruck ist, dass die Leute weniger anzeigen. Sie glauben nicht mehr, dass die Polizei ihnen helfen kann.“ Große schildert einen Fall von der Inselstadt, in dem ein Unternehmer die Polizei beknieen musste, eine Anzeige wegen einer riesigen Graffitischmiererei aufzunehmen. „Dafür wollte keiner rauskommen.“
Besonders nachts müsse man in Werder jetzt längere Wartezeiten einkalkulieren, wenn man einen Streifenwagen benötigt, sagt Große. „Die Zuführung erfolgt dann über die Potsdamer Polizeidirektion, nicht mehr aus Werder.“ Dass es inzwischen länger dauert, musste auch das Innenministerium auf eine CDU-Anfrage im Landtag einräumen: Die Interventionszeit in Brandenburg hat sich demnach im vergangenen Jahr um über drei Minuten auf 26 Minuten und 47 Sekunden erhöht. Dringende Blaulichteinsätze gingen im Schnitt schneller, wie das Ministerium betont. So ähnlich argumentiert der Sprecher der Polizeidirektion West, Heiko Schmidt. „Hinsichtlich der Abarbeitung der einzelnen anfallenden Einsätze werden natürlich Prioritäten gesetzt.“ Sachverhalte, bei denen Gefahren für Leib und Leben von Menschen bestehen oder der Täter noch am Tatort ist, gingen vor.
Was den letzten Einbruch bei der Firma Gertner am Pfingstmontag angeht, sei der Streifenwagen 24 Minuten nach der Anzeige am nächsten Morgen vor Ort gewesen. Die Kriminaltechnik sei nach knapp vier Stunden da gewesen, weil der Kollege noch an einem anderen Tatort zu tun gehabt hätte. Schmidt: „Von einer gewissenhaften, umfassenden und detaillierten Spurensuche und -sicherung hängt vielfach der weitere Ermittlungserfolg in einem Verfahren ab.“
Auf den hofft jetzt auch Reinhard Gertner. Da die Täter am Pfingsmontagabend im Hellen kamen, konnte die Überwachungskamera einige Bilder der Vermummten machen. Man sieht, wie sie in Badeshorts zum Fenster einsteigen, die Kamera entdecken und abreißen. Es wurden sogar Spuren gesichert – das Duo hat dennoch gute Chancen, unentdeckt zu bleiben. Die Aufklärungsquote für solche Diebstähle ist mit knapp 29 Prozent im vorigen Jahr zwar um 2 Prozent gestiegen. Vor acht Jahren lag sie aber mal bei 40 Prozent. „Was soll man als Unternehmer tun, wenn der Staat die Sicherheit nicht mehr gewährleisten kann“, fragt sich Gertner.
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