KulTOUR: „... weil doch Weihnachten ist!“
Comédie Soleil bringt „Paulas Weihnachtsgeschichte“ auf die Bühne – und kann damit überzeugen
Stand:
Werder (Havel) - Das sind ja wundersame Dinge kurz vor dem Fest! Nach einer Reihe eher blutarmer und damit nicht so prickelnder Inszenierungen legt die Werderaner Comédie Soleil mit „Paulas Weihnachtsgeschichte“ jetzt wie aus dem Plautz eine lebhafte, fast überall überzeugende, auch spielerisch schöne – vor allem aber temperamentvolle – Inszenierung mit viel Musik und Ideen vor. Sie wird wie von allein ihr Zielpublikum „Groß, Klein und Mittel“ finden, das ist sicher. Nicht etwa, weil es um Engel und ähnlich hohe Erscheinungen geht, sondern weil das vierköpfige Ensemble Michael Klemms neues Stück ernst und souverän angenommen hat und man augenscheinlich sieht, dass die Darsteller mehr können, als sie oftmals zeigen.
Die Geschichte ist rasch erzählt: Auf einer Parkbank mitten in Berlin gibt es vor einem sich karitativ gebenden Kaufhaus ein Loosertreffen: Rudi (Roman Gegenbauer) schlägt sich als von einem Kaufhaus bestellter Weihnachtsmann so peu-á-peu durch, Rasmus (Romeo Riemer) hat zwar auch einen sozialen Absturz erlebt, dabei aber nicht seinen gutmütigen Humor verloren. Die minderjährige Titelfigur Paula indes lebt, weil kein Bock auf Familie, Schule und Welt, ganz aus Überzeugung auf der Straße, und ihr kleines Haustier (!) mit ihr.
In Michael Klemms Inszenierung sieht das zwar gelegentlich nach einer konfliktscheuen Sozial-Idylle aus, bleibt aber ob der allgemeinen Leichtigkeit des Seins einigermaßen glaubhaft. Nicht ganz so deutlich wird der Kern dieser hübschen Geschichte herausgearbeitet, die Warnung der alternden Männer (als Mentalitätspenner bezeichnet) vor einer ungesicherten Bau- und Gefahrenstelle gleich um die Ecke.
Dann aber tritt ein schier unbeholfenes Geschöpf ins Geschehen, langbemantelt, langsam sprechend, knautschbehutet, undurchschaubar. Es ist Persékiel, Paulas Schutzengel aus dem Himmel – woraus folgt, dass da wohl bald etwas gerettet werden muss. Michaela Wrona spielt diesen gar nicht leichten Part mit gewohnter Präzision bis in die kleinste Geste hinein.
Natürlich ist die schrill-kesse Paula (Nadja Winter) die vom Tod Gerettete, worauf sich ein kleines Lamento über den Wert der Schutzengelschaft und eine Mini-Bescherung auf der Parkbank anschließt. Schön zu sehen, wie man sich über kleine Dinge wie Stollen und Tee freuen kann!
Diese Inszenierung hat, was manch anderer in Werder fehlte: Wärme, Tempo, Charme, Witz, vor allem Inspiration. Man spielte jetzt miteinander, und dies mit erkennbarer Freude. Jede Figur hatte mindestens einen Song (Musik Jürgen Kratzenberg, Texte Michael Klemm) vorzutragen, Roman Gegenbauer zum Beispiel „Ich bin der Rudi-Weihnachtsmann, ho ho!“, wobei er den Berliner Dialekt des Anfangs rasch wieder vergisst.
Auch des sozialen Umfelds gedenkt dieser Text. So spendiert besagtes Kaufhaus arbeitslosen Managern schon mal ein Sushi-Besteck, arbeitslosen Hausmeistern indes einen Schraubenzieher – „weil doch Weihnachten is´“, wie Rasmus immer wieder schnurrt, wenn es mal allzu derbe Worte abzumildern gibt.
Letztlich wollen Text und Inszenierung an die helfende Kraft der Schutzengel erinnern. Schon deshalb, weil man so nicht ganz alleine ist mit den Sorgen der Welt, und mit sich selbst. Still und unauffällig verschwindet das behutete Himmelswesen dann wieder aus dieser poetischen Geschichte, nach oben, klar. Szenenbeifall, mehrere Vorhänge bei der Premiere am vergangenen Freitag. Verdient. Groß und Klein und Mittel dürften zufrieden sein. Gerold Paul
Vorstellungen am 7. und 8. Dezember um 19.30 Uhr sowie am 9. Dezember um 17 Uhr – und den folgenden Wochenenden.
Gerold Paul
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