Potsdam-Mittelmark: 18-Jährigen mit Messer verletzt
Bewährungsstrafe sechs Jahre nach der Tat
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Teltow – Als sein 19-jähriger Sohn blutüberströmt vom Zigarettenholen zurückkam, sei er in Panik verfallen. Dann habe er sich ein „Ziermesser“ gegriffen, sei aus dem Haus gestürmt, um die vermeintlichen Angreifer des Filius zu stellen. Dass er das Messer einem 18-jährigen Teltower in den Bauch rammte, sei nicht geplant gewesen, erzählte Wolfgang W.* (48) am Donnerstag vor Gericht, berief sich auf Notwehr. „Ich bin erleichtert, dass es dem jungen Mann wieder gut geht und ich kein Menschenleben auf dem Gewissen habe.“
Lange wusste der Unternehmer nicht, ob und wie sein Opfer die Attacke überlebt hat. Das dramatische Geschehen spielte sich bereits in der Nacht des 28. Dezember 2006 an der Teltower Bushaltestelle Potsdamer-/Ecke Warthestraße ab. Wolfgang W. entledigte sich danach eines Teils seiner Kleidung sowie der Tatwaffe und setzte sich nach Amerika ab. Die Ermittlungsbehörden suchten mit internationalem Haftbefehl nach ihm. Am 9. Mai 2012, dem Tag seiner Scheidung, wurde er noch während des Termins im Gerichtssaal verhaftet, saß in Miami in Abschiebehaft, wurde schließlich nach Deutschland ausgewiesen. Bis zum Beginn seines Prozesses wegen gefährlicher Körperverletzung befand sich Wolfgang W. im Brandenburger Untersuchungsgefängnis.
Doch die Zeit hinter Gittern ist jetzt vorbei. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Birgit von Bülow verurteilte den Mann am Donnerstag – nicht zuletzt wegen seines umfassenden Geständnisses – zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, setzte diese zu vierjähriger Bewährung aus. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre und drei Monate Haft gefordert, die Messerattacke in die Nähe eines versuchten Tötungsdelikts gerückt. Schließlich sei die Klinge zehn Zentimeter tief in Richtung des Herzens eingedrungen.
Es war wohl Zufall, dass sich eine Gruppe kurzhaariger Jugendlicher in jener Nacht ausgerechnet an dem Ort aufhielt, an dem der Sohn des Angeklagten von „mehreren Nazis“ zusammengeschlagen worden sein soll. Im Irrglauben, es mit den Angreifern zu tun zu haben, verlangte der aufgebrachte Vater den Personalausweis eines damals 17-Jährigen, der als Sprecher auftrat. Dass er das nicht durfte, war ihm egal, sagte er während des Prozesses. Plötzlich sei ein „großes Muskelpaket“ mit erhobenen Händen auf ihn zugestürmt. Reflexartig habe er sein Messer gezogen.
Das spätere Opfer sei keinesfalls aggressiv aufgetreten, berichtete ein Zeuge aus der damaligen Gruppe. „Wir wussten überhaupt nicht, was der Mann von uns wollte. Erst hat er auf meinen Kumpel eingestochen, danach hat er gedroht, dass er mich auch noch kriegt.“
Alkohol, wenn auch nicht im Übermaß, war bei beiden Seiten im Spiel. Der Staatsanwalt ging von einer gewissen Enthemmung des mehrfach vorbestraften Angeklagten aus, der während der Tat unter Bewährung stand. Von Notwehr könne keine Rede sein, betonte er. Vielmehr habe er einem völlig Unbeteiligten ohne Grund schwerste Verletzungen zugefügt. (*Name geändert.) Hoga
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