
© Andreas Klaer
Potsdam-Mittelmark: 50 Kilometer in den Beinen
Sechs Wanderer liefen am Samstag von der Glienicker Brücke zum Wietkiekenberg und zurück
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Nebelschwaden hängen am Samstag an der Glienicker Brücke über der Havel, als sechs unerschrockene Wanderer sich auf eine 50 Kilometer lange Tour quer durch Potsdam und die Havelregion machen. Angemeldet hatten sich doppelt so viele, doch die Wettervorhersage hatte einige abgeschreckt. Doch da Optimismus manchmal belohnt wird, genossen die Wanderer auf der Extrem-Tour schon eine halbe Stunde später auf dem Pfingstberg Potsdams schönste Aussicht, die Sonne hatte sich durchgesetzt.
Über den Ruinenberg, vorbei am Krongut Bornstedt, Sanssouci, dem Neuen Palais und Schloss Charlottenhof führte die Route zunächst zum Templiner See. Insgesamt liegen elf Schlösser und weitere kulturhistorische Sehenswürdigkeiten an der Strecke, die Bernhard Mainzer vom Märkischen Wanderbund Fläming/Havelland für den Saisonauftakt zusammengestellt hat. Der Wanderbegeisterte hatte auf seinen Touren zwischen Watzmann und Königssee vor einigen Jahren noch gegrübelt, welche „Höhepunkte“ in der gipfelarmen Mark die Wanderer beeindrucken könnten. „Bei diesen alpinen Höhen können wir nicht mithalten, aber wir haben eine Bilderbuchlandschaft mit Seen, Wäldern und Schlössern.“ Diese Kombination sei einmalig in Deutschland.
Die Begeisterung vieler Wanderer gab ihm Recht. Peter Kretzschmar aus Zossen etwa war angetan von der Wanderung, obwohl er eigentlich Bergtouren bevorzugt und Mitglied im Deutschen Alpenverein ist. „Für mich haben sie da heute noch einen Hügel reingeschoben, den Wietkiekenberg“, flachste er deshalb. Der Berg liegt im Waldgebiet von Ferch und ist mit 124 Metern überm Meeresspiegel die höchste Erhebung der Zauche. Von der Aussichtsplattform des 25 Meter hohen Turmes ist die Sicht spektakulär. „Wir konnten sogar den Berliner Fernsehturm erkennen“, sagte Katrin Maasch. Die sportliche junge Frau wandert regelmäßig mit einer Gruppe im Elbsandsteingebirge. „Das laufen wir meist 25 Kilometer, die längste Strecke waren 40 Kilometer.“ Als sie den Flyer mit der Wanderung durch die Havelregion entdeckte, waren die 50 Kilometer für sie eine Herausforderung. „Sie ist fit und hält gut mit“, lobte Wanderleiter Mainzer sie bei der letzten Rast im Forsthaus Templin. Da liegen bereits 37 Kilometer hinter ihnen, ein Drittel davon auf Asphalt. Doch die Blasen an den Füßen hielten sich in Grenzen. Auch das Tempo von durchschnittlich 5,3 Stundenkilometern haben alle durchgehalten. Nur einer klagte über Schulterschmerzen. Sofort zückte Mainzer ein Gel aus seiner Tasche, auch mit Verbandsmaterial war er gerüstet. Zudem stand für die Helden der Piste im Notfall ein Shuttle bereit, falls die Schmerzgrenze überschritten wird.
Im Forsthaus strahlten aber alle und berichten vom Glücksgefühl, das sich nach der langen Wanderstrecke einstellt: Flow nennen sie den Zustand, in dem Schritte und Bewegungen fast automatisch kommen und der Kopf nicht mehr an Schmerzen denkt. „Die Psyche ist die größte Hemmschwelle“, so Mainzer. Allerdings halte er auch nicht viel von falschem Ehrgeiz. Er allein könnte zwar mit 6,1 Stundenkilometern die Strecke bewältigen, aber das Teamerlebnis sei wichtiger. „Ich bin nicht der Typ einsamer Wolf, mir sind die Gespräche und Begegnungen während der Wanderung wichtiger, da stört mich auch langsameres Laufen nicht.“
Ob Solo oder in einer Gruppe, das muss jeder für sich entscheiden, meint der Wanderleiter. Denn mancher auf Selbstfindungstrip laufe lieber alleine los. Einigkeit herrscht aber darin, dass die Umgebung bei der Wanderung intensiver wahrgenommen wird als etwa bei einer Radtour. Katrin Maasch schwärmte von dem ganz eigenen Licht im Frühjahr, das sie bei der Samstagswanderung besonders beeindruckte. „Die Sonne schien schräg durch die Bäume, die noch ohne Laub sind. Da ist der Wald viel transparenter.“ Zum Tourende, nach elf Stunden, erwartete alle auf der Glienicker Brücke ein besonderes Farbspektakel in Rosa und Orange beim Sonnenuntergang.
Weitere sportlich ambitionierte Wanderungen folgen im April und Mai, darunter eine 38 Kilometer-Tour um den Templiner und den Schwielowsee am 21. Mai. Bereits im Vorjahr hat Bernhard Mainzer die erste 100-Kilometer-Wanderung der Region organisiert, die am 8. Oktober wiederholt werden soll. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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