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Potsdam-Mittelmark: 92 Mitarbeiter von O2 klagen

Callcenter-Firma hat hohe Lohneinbußen angekündigt – wenn der Standort überhaupt weiterbesteht

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Teltow - Gleiche Arbeit, halber Lohn: Die Mitarbeiter des O2-Callcenters in Teltow mussten offenbar schon vor der Übernahme des Betriebs durch die Bertelsmann-Tochter Arvato mit größeren Lohneinbußen rechnen als bisher bekannt. Zwei Wochen bevor der Telefonanbieter O2/Telefónica im Februar den Teltower Standort an den Kooperationspartner übergab, seien die Mitarbeiter über die konkreten Bedingungen informiert worden, sagte der ehemaliger Angestellter Mirko Fandré den PNN am Montag.

„Arvato sprach bei diesem Termin fast ausschließlich von Wirtschaftlichkeit und Personalabbau“, so Fandré. Niemand brauche aber zu befürchten, weniger als 50 Prozent des bisherigen Lohns zu verdienen, habe es geheißen. Ein Großteil der Teltower Belegschaft hatte sich daraufhin der Übernahme widersetzt, nur etwa 20 der ehemals knapp 200 Mitarbeiter wechselten zu Arvato. Den anderen hat O2 einen Wechsel an die Standorte Rostock oder Hamburg angeboten. Wer nicht in eine andere Stadt ziehen wollte, dem wurde jetzt gekündigt. Nach Verdi-Informationen sind bislang 49 Mitarbeiter entlassen worden. Weitaus mehr Mitarbeiter haben allerdings Kündigungsschutzklagen beim Arbeitsgericht Potsdam eingereicht. Sprecherin Hilde Fuhrmann liegen 92 Fälle vor. „Der größte Teil der Kläger will nicht nach Hamburg oder Rostock“, so Fuhrmann am Montag gegenüber den PNN.

Die Gewerkschaft Verdi hatte schon vor dem Verkauf an Arvato befürchtet, dass es binnen eines Jahres zu Lohnkürzungen von bis zu 20 Prozent kommen könnte. Für Fandré wären Kürzungen in dieser Größenordnung kein Grund gewesen, sich der Übernahme durch Arvato zu widersetzen. Doch von den 2 500 Euro Bruttogehalt wären ihm nach Ankündigung durch Arvato nur noch 1 400 Euro brutto geblieben. Zu wenig für den jungen Familienvater. Gegenüber den PNN hatte Arvato angekündigt, weiterhin den gleichen Lohn zu zahlen, allerdings „gelten diese Übergangsverträge nur für ein Jahr“, wie Arvato-Sprecher Gernot Wolf damals einräumte. Und O2-Sprecher Albert Fetsch erklärte: „Ziel der Lösung mit Arvato war es, dass die Kriterien für die Fördergelder bis Ende des Jahres erfüllt werden“.

Der Hintergrund: DasWirtschaftsministerium hat den Telefonanbieter in den vergangenen 12 Jahren mit insgesamt 15,44 Millionen Euro gefördert. Die Rechte und Pflichten, die daran noch bis Jahresende geknüpft sind, hat mit dem Verkauf des Standortes nun Arvato übernommen. Für das Wirtschaftsministerium könnte das ein Grund sein, jetzt den Fördertatbestand neu zu prüfen, so Sprecher Steffen Streu. Nach Erfahrung von Verdi-Sprecher Mike Döding wird Arvato indes alles tun, um diese Frist nicht zu verletzten. „Das wäre ein zu großer Image-Verlust.“ Gleichzeitig zeichne sich Bertelsmann dadurch aus, in solchen Fällen gezielt Druck auf einzelne Angestellte auszuüben und somit geringere Gehälter durchzusetzen. „Wenn das auf freiwilliger Basis geschieht, hat das keine Auswirkung auf die Förderrichtlinien“, so Döding.

Christian Ziron hat bislang keinen Druck zu spüren bekommen. Er ist einer der 20 Mitarbeiter, die zu Arvato gewechselt sind. An seinem Gehalt habe sich bisher nichts verändert. Unklar sei allerdings, ob der Standort über das Jahr 2011 hinaus weiter bestehe. Offen kommuniziert werde darüber bei Arvato nicht. Dass indes nur rund 30 Stellen neu besetzt wurden, in dem Callcenter mit ehemals knapp 200 Angestellten mittlerweile nur noch etwa 50 Menschen arbeiten, wertet Ziron als schlechtes Zeichen. Schon im März wollte sich Arvato-Sprecher Wolf zur Zukunft des Standortes nicht festlegen. Derzeit würden mit dem Betriebsrat mehrere Optionen ausgewertet, sagte er gestern.

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